Haftung des Liegenschaftenschätzers

Sachverhalt
Die Liegenschaftseigentümer «E» gaben beim Architekten «A» ein Schätzungsgutachten über ihre Liegenschaft in Auftrag, um damit eine Erhöhung des Hypothekarkredits bei der Bank «B» zu bewirken. Etwa zwei Jahre später kauften die Käufer «K» die genannte Liegenschaft von den Liegenschaftseigentümern E. Im Rahmen der Kaufverhandlungen wurde der besagte Schätzungsbericht des Architekten A der Verkaufsdokumentation beigegeben. Kurz nach erfolgtem Besitzantritt entdeckten die Käufer K am erworbenen Haus verschiedene Mängel, die im besagten Schätzungsbericht nicht erwähnt wurden. Die Käufer K liessen daraufhin das Haus neu von dritter Seite fachmännisch begutachten, wobei die Kosten für die Mängelbeseitigung mit CHF 63‘900 veranschlagt wurden. In der Folge klagten die Käufer K unter anderem gegen den Architekten A. Sie begründeten ihre Klage damit, dass der Schätzungsbericht, der den Kaufentschluss der Käufer K mitbestimmt habe, ihr Vertrauen auf die Mängelfreiheit des erworbenen Hauses enttäuscht habe. Die Käufer K obsiegten mit ihrer Klage sowohl vor dem Bezirks- wie auch dem Kantonsgericht im Umfang von CHF 30‘960.50. Das vom Architekten A angerufene Bundesgericht heisst dessen Berufung gut und verneint die Haftung des Architekten A aus folgenden Gründen:


Erwägungen des Bundesgerichts
Zunächst hält das Bundesgericht fest, dass zwischen dem Architekten A und den Käufern K keine vertragliche Beziehung besteht, verneint eine ausservertragliche Haftung des Architekten A und schliesst zudem eine absichtliche Täuschung durch den Architekten A aus. Sodann verbleibt als Haftungsgrundlage einzig der von der Lehre und Rechtsprechung entwickelte Anspruch aus Vertrauenshaftung. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung liegt ein solcher Anspruch vor, wenn der vertragsfremde Schädiger (hier der Architekt A) durch sein Verhalten konkrete und bestimmte Erwartungen bei den Geschädigten (den Käufern K) weckt und damit eine Vertrauenslage schafft, die anschliessend enttäuscht wird. Das Bundesgericht bezeichnet dieses besondere Näheverhältnis zwischen dem Schädiger und den Geschädigten als «rechtliche Sonderverbindung». Diese ist Voraussetzung dafür, dass dem Schädiger, d.h. dem Architekten A, gegenüber den geschädigten Käufern K überhaupt Schutz- und Aufklärungspflichten erwachsen.
Im konkreten Fall verneint das Bundesgericht jedoch diese rechtliche Sonderverbindung zwischen dem Architekten A und den Käufern K. Als Begründung führt das Bundesgericht aus, dass eine solche Vertrauenshaftung etwa dann bestehe, wenn der als Experte beigezogene Schätzer damit einverstanden sei oder ihm ein solches Einverständnis zuzurechnen sei, dass sein Gutachten einem Dritten weitergegeben werde. Dabei sei es unerheblich, ob der Schätzer diesen Dritten kenne oder nicht.
Für das Bundesgericht ist für die Frage der Vertrauenshaftung des Schätzers vielmehr der Inhalt des Gutachtens, dessen Verwendungszweck und die Frage, ob der Schätzer mit der Weitergabe seines Gutachtens an den klagenden Dritten hätte rechnen müssen, entscheidend. Im vorliegenden Fall musste der Architekt A nach Ansicht des Bundesgerichts nicht damit rechnen, dass das für die Erhöhung eines Hypothekarkredits erstellte Gutachten auch für den späteren Verkauf der Liegenschaft eingesetzt wird, zumal der Architekt A auch keine Hinweise auf die Verkaufsabsichten der Liegenschaftseigentümer E hatte.


Schlussfolgerungen
Obwohl das Bundesgericht die Haftung des Architekten A zu Recht verneinte, empfiehlt es sich gleichwohl, den genauen Zweck des zu erstellenden Schätzungsberichts im Gutachten selbst festzuhalten und zudem zu vermerken, dass das Gutachten nur für den Auftraggeber erstellt sowie nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Gutachters an Dritte weitergegeben werden darf. Um eine Vertrauenshaftung möglichst zu vermeiden, sollte im Gutachten zudem festgehalten werden, dass nicht im Gutachten erwähnte Dritte aus diesem keinerlei Rechte für sich ableiten können.

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