Von der Schatten-Inventarisierung von Grundstücken

Sachverhalt und Ausgangslage

Nicht nur die Überraschung, auch das Unverständnis und nicht selten auch der Unmut sind jeweils gross, wenn der bau- oder verkaufswillige Grundstückeigentümer plötzlich mit der Nachricht konfrontiert wird, dass die Gemeinde sein Haus – allenfalls auch oder nur den zugehörigen Garten – ganz oder teilweise „inventarisiert“ habe.  Die gleiche Situation kann sich bei einer Erbengemeinschaft einstellen, die ein inventarisiertes Grundstück veräussern will oder wenn ein Erbe im Rahmen der Erbteilung die betroffene Immobilie übernehmen soll. 

So fühlen sich die Betroffenen regelmässig vor den Kopf gestossen, weil sie die Gemeinde nie über eine solche „Inventarisierung“ informierte und der angedachte Fahr- und Zeitplan für das Bauprojekt oder den Verkauf der Immobilie meist neu definiert werden müssen. 

In der Tat ist dieses Vorgehen der Behörden unglücklich; gleichwohl ist es rechtlich zulässig, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden.  Gleichzeitig soll mit diesen Erläuterungen auch ein Stück weit Aufklärungsarbeit geleistet werden, um solche Überraschungen in Grenzen zu halten oder um diese bestmöglich sogar ganz vermeiden zu können.

 Rechtliche Grundlagen

Gemäss dem Planungs- und Baugesetz des Kantons Zürich (nachfolgend „PBG“) können u. a. Gebäude und Teile sowie Zugehör von solchen, die als wichtige Zeugen einer politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder baukünstlerischen Epoche erhaltenswürdig sind, inventarisiert werden.  Ebenso ist eine Inventarisierung wertvoller Park- und Gartenanlagen, von Bäumen, Baumbeständen, Feldgehölzen und Hecken möglich (vgl. dazu § 203 Abs. 1 lit. b und lit. f PBG).  Über solche Schutzobjekte erstellen die für Schutzmassnahmen zuständigen Behörden Inventare, wobei die Inventare bei der Gemeindeverwaltung am Ort der gelegenen Sache zur Einsichtnahme offenstehen.

Nur:  Im eingangs beschriebenen Szenario finden sich die betroffenen Immobilien eben gerade nicht in einem solchen öffentlich einsehbaren Inventar, in welchem nur diejenigen Schutzobjekte aufgeführt sind, die im Rahmen einer sog. definitiven Schutzmassnahme offiziell – d. h. meist durch eine Verfügung, eine Verordnung oder einen sog. verwaltungsrechtlichen Vertrag mit dem Gemeinwesen – Eingang in das besagte Inventar fand.

 Schatten-Inventar und dessen Gründe

Um was für ein Inventar handelt es sich dann aber?  Ich nenne es bewusst ein Schatten-Inventar.  Denn dieses Inventar gibt es offiziell gar nicht und besteht regelmässig in der Form eines Bundesordners, in welchem die zu schützenden Objekte mit einem mehr oder minder ausführlichen Kurzbeschrieb zur Schutzwürdigkeit abgelegt sind.  Dieser doch sehr unbefriedigende Umstand hängt wesentlich und direkt zusammen mit der eingangs erwähnten, ebenfalls sehr unglücklichen, da fehlenden Mitteilung der Gemeindebehörde an den betroffenen Grundstückeigentümer, dass dessen Immobilie (oder Teile davon) eben „vorläufig inventarisiert“ worden sei. 

Denn gemäss § 209 Abs. 2 PBG löst die schriftliche, d. h. offizielle, behördliche Mitteilung an den Grundeigentümer über die Aufnahme seines Grundstücks in das Inventar nicht nur das Verbot aus, am bezeichneten Objekt ohne Bewilligung der anordnenden Behörde tatsächliche Veränderungen vorzunehmen, sondern auch eine einjährige Verwirkungsfrist, um eine „dauernde Anordnung“ über das Schutzobjekt zu treffen.  Mit anderen Worten fällt das Veränderungsverbot dahin, wenn die Gemeindebehörde nicht innert dieser Jahresfrist seit der besagten schriftlichen Mitteilung über das betroffene Grundstück eine definitive Schutzmassnahme getroffen hat.

Führt man sich den vorerwähnten Bundesordner in der Gemeindekanzlei mit den darin abgelegten, voraussichtlich schützenswerten Bauten wieder vor das geistige Auge, wird auch klar, wieso die Behörden die betroffenen Grundstückeigentümer nicht über diese „vorläufige Inventarisierung“ informieren können und dies auch nicht müssen.  Denn jede dieser offiziellen Mitteilungen löste den separaten, einjährigen Fristenlauf aus für jedes einzelne dieser im besagten Schatten-Inventar erfassten Grundstücke.  Verständlicherweise wäre wohl jede Gemeindebehörde schon rein personell, zeitlich und allenfalls auch finanziell mit der gleichzeitigen, meist unter dem parallelen Beizug von Sachverständigen durchzuführende Prüfung der definitiven Schutzwürdigkeit der einzelnen Immobilien überfordert.

 Was tun? – Provokationsbegehren

Hat ein Grundstückeigentümer– auf welchem Weg auch immer – Kenntnis davon, dass seine Immobilie im Schatten-Inventar erfasst ist oder will er mit Blick auf ein Bauprojekt oder einen Verkauf der Immobilie Gewissheit haben über eine Inventarisierung, bleibt ihm nur die Flucht nach vorne, um eine abschliessende Beantwortung seiner Anfrage zu erhalten.

So ist gemäss § 213 PBG jeder Grundeigentümer jederzeit berechtigt, vom Gemeinwesen einen Entscheid über die Schutzwürdigkeit seines Grundstücks und über den Umfang allfälliger Schutzmassnahmen zu verlangen, wenn er ein aktuelles Interesse glaubhaft macht.  Hierfür genügt es, wenn er z. B. konkrete Bauabsichten hat oder er die Gemeindebehörde glaubhaft von einer bevorstehenden Erbteilung oder vom Verkauf der allenfalls von der Inventarisierung betroffenen Immobilie überzeugen kann. 

Ein solches Provokationsbegehren ist schriftlich beim Gemeinderat einzureichen.  In der Folge trifft das zuständige Gemeinwesen den Entscheid spätestens innert Jahresfrist, wobei es in Ausnahmefällen vor Fristablauf dem Grundeigentümer anzeigen kann, dass sich die Behandlungsdauer um höchstens ein weiteres Jahr erstrecke.

In diesem Zeitfenster klärt die Behörde ab, ob die vom Provokationsbegehren erfasste Immobilie überhaupt im Schatten-Inventar überhaupt erfasst ist und – im Fall der Inventarisierung – ob eine ganzheitliche oder teilweise Unterschutzstellung angezeigt ist oder nicht. 

Kommt die Gemeinde zum Schluss (aus welchen Gründen auch immer), dass keine Unterschutzstellung erfolgen soll, wird dieser Entscheid dem betreffenden Grundstückeigentümer formell mitgeteilt.  Ebenso muss die Unterschutzstellung sowie der gegenteilige, formelle Verzicht auf eine Unterschutzstellung – gleich wie der von der Behörde bloss ungenutzte Ablauf der Verwirkungsfrist gemäss § 213 Abs. 3 PBG – in den amtlichen Publikationsorganen veröffentlicht werden.  Weiter müssen die entsprechenden Entscheidakten während der 30-tägigen Rekursfrist öffentlich aufliegen, damit der von einer Inventaraufnahme betroffene Grundstückeigentümer, aber auch Dritte (insb. die Organisationen des Natur- und Heimatschutzes sowie die Nachbarn im Fall des Verzichts auf eine Inventaraufnahme) den Entscheid der Gemeinde beim Baurekursgericht anfechten können.

Auf jeden Fall wird durch das Provokationsbegehren ein behördliches und allenfalls auch gerichtliches Prüfverfahren ausgelöst, das notgedrungen Zeit und Geld in Anspruch nimmt, wobei regelmässig mit einer Verfahrensdauer von mindestens einem Jahr gerechnet werden muss.  Alternativ zum Provokationsbegehren und falls sich alle Beteiligten über den Schutzumfang einig sind, kann mit der zuständigen Behörde auch innert kürzerer Zeit ein verwaltungsrechtlicher Schutzvertrag abgeschlossen werden.

 Zusammenfassung und Empfehlungen

Von der Gemeinde angelegte Schatten-Inventare sind für die davon betroffenen Grundstückeigentümer nicht nur ärgerlich, sondern können ein Bauprojekt, eine Erbteilung oder einen Verkauf massgeblich verzögern, verteuern oder gar verhindern. 

Falls ein Grundstückeigentümer derartige Immobiliengeschäfte beabsichtigt, sind folgende Empfehlungen zu beachten:

Frühzeitige telefonische oder schriftliche Kontaktaufnahme mit der zuständigen Gemeindebehörde, ob das Grundstück, das Haus, der Garten (inkl. einzelner Bäume) ganz oder Teile davon inventarisiert sind.

Internet-Recherchen, ob sich das betreffende Grundstück allenfalls in einer speziellen Zone, z. B. in einer archäologischen Zone oder sich im Umfeld schützenswerter Ortsbilder von überkommunaler Bedeutung befindet.

Falls eine Inventarisierung besteht oder zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, ist ein schriftliches Provokationsbegehren an die zuständige Gemeindebehörde zu stellen, bevor die geplanten Bau- oder Verkaufsaktivitäten weiter vorangetrieben werden.  In Kauf nehmen muss man dabei allerdings, dass man allenfalls schlafende Hunde weckt, falls eine Immobilie (noch) nicht vorläufig inventarisiert sein sollte.

Im Ergebnis liegt ein Behörden- resp. ein Gerichtsentscheid vor, wonach das Gemeinwesen entweder:

auf die Unterschutzstellung der betreffenden Immobilie verzichtet und diese aus dem Schatten-Inventar entlassen werden kann. Oder:

Das Gemeinwesen oder Dritte, die in das Unterschutzstellungsverfahren eingreifen (namentlich Natur- und Denkmalschutzvereinigungen), setzen sich ganz oder teilweise mit einer Unterschutzstellung durch, womit das betreffende Schutzobjekt im Sinne einer definitiven, dauernden Schutzmassnahme im Inventar eingetragen und damit Beeinträchtigungen der besagten Immobilie verhindert sowie deren Pflege, Unterhalt und nötigenfalls deren Restaurierung sichergestellt werden.

Alternativ zum Provokationsbegehren und falls sich alle Beteiligten über den Schutzumfang einig sind, kann mit der zuständigen Behörde innert kürzerer Zeit ein verwaltungsrechtlicher Schutzvertrag abgeschlossen werden.

Artikel im PDF-Format (erschienen in der Fachzeitschrift TREX Der Treuhandexperte 5/2016, S. 298 f.)

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