Rechtliches zum Umgang mit Gewächsen

Der Frühling naht

Bald ist es wieder soweit:  Nach den dunklen und kalten Wintertagen naht der Frühling, der sich mit jungen Trieben, ersten, zaghaften Blüten sowie mit ermunterndem, frühmorgentlichem Vogelgezwitscher empfiehlt.  Doch nahen mit der Frühlingszeit neue Herausforderungen rund um den Gartenunterhalt und Fragen, die auch rechtlich gewürdigt werden sollen.  Vorab:  Obwohl es sich doch recht gefährlich anhört, sollte es keine rechtlichen Probleme geben, wenn der eifrige Hausgärtner wieder den Rasen sprengt oder wenn das Rabattengemüse ins Kraut schiesst.  Doch wie verhält es sich, wenn mein lieber Nachbar seinen Haselstrauch nicht gehörig stutzt, sodass wieder einmal unzählige Haselnüsse und Blütenkätzchen in unserem Garten liegen?  Und wie sieht es aus mit der gemeinsamen Grenzhecke, die mein Nachbar regelmässig und ohne mein Wissen oder Einverständnis viel zu stark zurück schneidet?

Was muss ich mir alles gefallen lassen und gibt es Grenzen?  Diesen Fragen möchte ich im Folgenden nachgehen.

Geschriebene und ungeschriebene Gesetze

Auch für die Frühlingszeit gilt es, vorab den guten Menschenverstand walten zu lassen, um die gut nachbarschaftlichen Beziehungen nicht unnötig zu strapazieren.  In diesem Sinne empfiehlt es sich, sich stets kurz zu fragen, wie das eigene Verhalten allenfalls den Nachbarn beeinträchtigen könnte, bevor man die Grenzhecke nach eigenem Gutdünkten unter die Schere nimmt oder als neuen Sichtschutz Schilfgras an die Grenze pflanzt.  Im Übrigen gibt es natürlich auch Rechtsnormen, welche die grundsätzlichsten Verhaltensregeln vorgeben.

Rechtliche Grundlagen im Einzelnen

Im Schweizerischen Zivilgesetzbuch ist geregelt, dass der private Nachbar überragende Äste und eindringende Wurzeln (z. B. vom vorerwähnten Schilfgras) kappen und für sich behalten kann, wenn diese sein Eigentum schädigen und auf seine Beschwerde hin nicht binnen angemessener Frist beseitigt worden sind (sogenanntes „Kapprecht“, vgl. dazu Art. 687 Abs. 1 ZGB).  Statt das Kapprecht auszuüben, kann der beeinträchtigte Grundeigentümer (der bloss obligatorisch am beeinträchtigten Grundstück berechtigte Nachbar, insbesondere der Mieter, hat kein Kapprecht und muss gegen den Nachbarn aus Besitzstörung gemäss Art. 928 ZGB vorgehen) vom säumigen Nachbarn aber auch verlangen, dass dieser die eindringenden Wurzeln oder die grenzüberragenden Äste selbst beseitigt (diesfalls kann der Grundeigentümer die sogenannte „Negatorienklage“ nach Art. 641 Abs. 2 ZGB erheben oder aus Nachbarrecht (Art. 679 ZGB) vorgehen).

 Duldet ein Grundeigentümer hingegen, dass Äste von Pflanzen des privaten Nachbargrundstückes seinen eigenen Boden überragen, hat er das Recht auf die Früchte, die an solchen Ästen wachsen (sogenanntes „Anriesrecht“, vgl. dazu Art. 687 Abs. 2 ZGB.  Zu solchen Früchten gehören neben Nüssen und Beeren insbesondere auch Blüten.  Diese können – ohne vorgängige Beschwerde beim Nachbarn – bereits von den grenzüberragenden Ästen gepflückt werden und muss man nicht warten, bis diese Früchte zu Boden gefallen sind.  Im Unterschied zum Kapprecht, steht das Anriesrecht übrigens nicht nur dem Grundeigentümer zu, sondern insbesondere auch dem Mieter.

 Im Weiteren gibt es zu diesen bundesrechtlichen Bestimmungen Regelungsvorbehalte zugunsten der Kantone.  So können die Kantone für Anpflanzungen – je nach der Art des Grundstückes und der Art der Pflanzen – bestimmte Abstände vom Nachbargrundstück vorschreiben.  Ebenso sind die Kantone berechtigt, die Grundeigentümer zu verpflichten, das Übergreifen von Ästen oder Wurzeln fruchttragender Bäume zu gestatten und für diese Fälle das Anries zu regeln oder aufzuheben (vgl. dazu die zugehörige Bestimmung in Art. 688 ZGB i.V.m. Art. 5 ZGB).

 Diesbezüglich hat auch der Kanton Zürich Folgeregelungen erlassen.  Im Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch (EG zum ZGB) ist vorgesehen, dass – gegen den Willen des Nachbarn – Gartenbäume, kleinere Zierbäume, Zwergobstbäume und Sträucher nicht näher als 60 Zentimeter an die nachbarliche Grenze gepflanzt werden dürfen.  Dieselben müssen bis auf die Entfernung von 4 Metern von der Grenze so unter der Schere gehalten werden, dass ihre Höhe nie mehr als das Doppelte ihrer Entfernung von der Grenze beträgt.  Überdies dürfen einzelne Waldbäume und grosse Zierbäume, wie Pappeln, Kastanienbäumen oder Platanen, ferner Nussbäume nicht näher als 8 Meter, Feldobstbäume und kleinere, nicht unter der Schere zu haltende Zierbäume nicht näher als 4 Meter von der nachbarlichen Grenze gepflanzt werden (vgl. dazu § 169 ff. EG ZGB).

Grünhecken wiederum dürfen – gegen den Willen des nachbarlichen Grundeigentümers – nicht näher als die Hälfte ihrer Höhe, jedenfalls aber nicht näher als 60 Zentimeter von der Grenze gehalten werden (vgl. dazu § 177 EG ZGB).  Andere Einfriedigungen, wie sogenannte tote Hecken, Holzwände oder Mauern, welche die Höhe von 150 Zentimeter nicht übersteigen, darf der Eigentümer an der Grenze anbringen und daran auch Spaliere ziehen.  Im Übrigen und soweit unbedingt nötig darf der Eigentümer den Boden des Nachbarn betreten, um Grünhecken zuzuschneiden und eine Grenzmauer zu reparieren (vgl. dazu § 178 f. EG ZGB)

Meines Erachtens bietet sich diese gesetzliche Informationspflicht des Nachbarn geradezu an, sich gleichzeitig wieder einmal um die gut nachbarschaftlichen Beziehungen zu kümmern.  Damit bleibt auch die Hoffnung intakt, dass man das nächste Mal – auch ohne expliziten Verweis auf die hier kurz vorgestellten Regelungen – über den Grenzzaun hinweg miteinander ins Gespräch kommt und so beiden Seiten weiterer Ärger erspart bleibt.

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