Grundstückkauf mit angefangener Baute

Ausgangslage und Fragestellung

Eigentum an Grundstücken, wie Wohnungen im Stockwerkeigentum oder Liegenschaften mit oder Gebäuden, wird im Rahmen eines öffentlich beurkundeten Kaufvertrags übertragen.  Im Gegenzug bezahlt der Käufer des betreffenden Grundstücks den verhandelten Kaufpreis, der ein wichtiger Bestandteil des öffentlich beurkundeten Kaufvertrags ist.  Rechtlich schwieriger zu beurteilen ist die Bestimmung der exakten Höhe des zu beurkundenden Kaufpreises, wenn das Kaufobjekt im Zeitpunkt der öffentlichen Beurkundung des zugehörigen Vertrags noch nicht resp. noch nicht vollständig existiert.  Ebenso ist beim Kauf einer erst im Bau befindlichen Immobilie nicht immer klar, welche werkvertraglichen Elemente ebenfalls Teil der öffentlichen Beurkundung sein müssen.  Typischerweise stellen sich diese Fragen beim Kauf einer StWE-Wohnung oder beim Kauf eines Reiheneinfamilienhauses, die im Rahmen einer Gesamtüberbauung errichtet und wo bereits in der Projektierungsphase die ersten Kaufverträge abgeschlossen werden. 

Gefordert ist bei der öffentlichen Beurkundung solcher Grundstückverträge in erster Linie die Urkundsperson, deren Belehrungs- und Beratungspflicht es gebietet sicherzustellen, dass die gesetzlichen Formvorschriften eingehalten werden und insbesondere der Kaufpreis richtig beurkundet wird; andernfalls droht die Nichtigkeit der vertraglichen Abmachung.  Vor diesem Hintergrund und im Zuge der jüngst erfolgten Publikationen in der Rechtslehre zum Thema erliess die Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich ein Kreisschreiben zuhanden der Zürcher Notariate, das sich mit der Problematik der gesetzeskonformen Beurkundung beim Kauf von Grundstücken mit projektierter oder angefangener Baute befasst. 

Verschiedene Vertragstypen

Zunächst grenzt das Kreisschreiben die verschiedenen möglichen Vertragstypen beim Kauf eines Grundstücks mit projektierter oder angefangener Baute gegeneinander ab.  Dazu gehören der Vertrag über eine künftige Baute („reiner Grundstückkauf“), die vertragliche Kombination eines Kaufvertrags mit einem Werkvertrag („Grundstückkauf mit separatem echtem Werkvertrag“) sowie der Kaufvertrag, der nur gewisse werkvertragliche Abreden enthält („Grundstückkauf mit unechtem Werkvertrag“).

Echter Grundstückkauf

Einfach und rechtlich unproblematisch ist der Kauf einer zukünftigen Sache.  Vertragsobjekt ist die künftige Baute (Wohnung oder ganzes Haus), die für den Käufer schlüsselfertig erstellt und zu Eigentum übertragen wird.  Dabei liegt der zugehörige Kaufvertrag gemäss dem Kreisschreiben zeitlich klar vor der Fertigstellung der Baute und erfolgt die Eigentumsübertragung erst bei deren Bezugsbereitschaft.  Im Übrigen bestimmt sich die Kaufpreishöhe entsprechend dem Wert der fertiggestellten Baute.

Grundstückkauf mit Werkvertrag

Komplexer wird es, wenn ein gemischter Vertrag vorliegt, der Elemente eines Kauf- und eines Werkvertrags enthält und der Veräusserer allenfalls nicht identisch ist mit dem Ersteller der zu verkaufenden Baute.  Im Unterschied zum Kauf einer künftigen Baute liegt hier gemäss dem Kreisschreiben nicht nur die öffentliche Beurkundung des Vertrags, sondern auch die Eigentumsübertragung zeitlich klar vor der Fertigstellung der entsprechenden Baute.  Rechtliche Schwierigkeiten bereiten bei diesem Vertragsmodell die Frage nach der Kaufpreishöhe sowie ob der Werkvertrag (allenfalls mit einem Bauersteller, der mit dem Verkäufer nicht identisch ist) ebenfalls Teil der öffentlichen Beurkundung sein müsse. 

Bislang gingen die Zürcher Notariate bei solchen Vertragskonstellationen grundsätzlich davon aus, dass sich beim Kauf einer StWE-Wohnung der zugehörige Kaufpreis nur auf den entsprechenden „Landanteil“ bezog, weil mit dem Bau – nach den Angaben der Vertragsparteien – noch nicht begonnen worden sei.  Zudem wurde auf ein separat abzuschliessender Werkvertrag verwiesen, der nicht Bestandteil des öffentlich beurkundeten Kaufvertrags mit gleichzeitiger Eigentumsübertragung war.[3]  Soweit mit den Bauarbeiten jedoch bereits begonnen wurde, richtete sich der (für das Kaufobjekt im Verhältnis zur Gesamtbaute anteilige) Kaufpreis nach der bereits investierten Bausubstanz im Zeitpunkt der öffentlichen Beurkundung und Eigentumsübertragung.  Das Kreisschreiben gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass diese für die Bestimmung der Kaufpreishöhe relevante Wertermittlung nicht selten sehr summarisch erfolge; im besten Fall deshalb, weil sich dieser Wert objektiv nicht präzis ermitteln lasse.  Dementsprechend hält das Kreisschreiben auch fest, dass dieser Festlegung des Kaufpreises etwas Willkürliches und sogar Fiktives anhafte.

Kauf mit echtem / unechtem Werkvertrag

Das Kreisschreiben will daher Klarheit schaffen und fordert von den Zürcher Notariaten eine vertiefte Prüfung, wann ein – separat zum Kaufvertrag – echter Werkvertrag vorliegt, der diesfalls auch nicht Teil der öffentlichen Beurkundung sein muss resp. wann ein unechter Werkvertrag gegeben ist.  Denn bei einem Kaufvertrag mit unechtem Werkvertrag müssen auch die werkvertraglichen Bestimmungen öffentlich beurkundet werden.  Zudem richtet sich diesfalls die Kaufpreishöhe nicht nur nach dem Entgelt für den entsprechenden Landanteil und der allenfalls bereits angefangenen Baute.  Vielmehr umfasst nach dem besagten Kreisschreiben der (öffentlich zu beurkundende) Kaufpreis auch das Entgelt der fertig zu stellenden Baute.  Denn beim Kaufvertrag mit unechtem Werkvertrag fehlen dem Käufer wirkliche Werkvertragsabsichten und geht der Käufer – gemäss dem besagten Kreisschreiben – eigentlich vom Erwerb einer fertig erstellten Baute aus.

Nach dem Kreisschreiben ist das entscheidende Kriterium für einen Kaufvertrag mit echtem Werkvertrag, dass der Käufer gleichzeitig Werkbesteller ist.  In dieser Funktion kann der Käufer als Werkbesteller direkten Einfluss nehmen auf den Bau, die Ausgestaltung und Erschliessung der Überbauung, den Erstellungszeitplan sowie die Leistungserbringung (insbesondere die Auswahl der Handwerker).  Demgegenüber liegt ein Kaufvertrag mit unechtem Werkvertrag vor, wenn der Käufer die Überbauung ohne Einwirkungsmöglichkeiten (und wie alle anderen Käufer, welche inhaltlich identische Verträge abgeschlossen haben) akzeptieren muss, wie sie der Unternehmer projektiert und gemäss Baubewilligung ausführt.  Daran ändert sich gemäss Kreisschreiben auch nichts, wenn der Käufer Details der Innenausstattung, wie Bodenbelag, Küchengeräte, Farbgebung, zusätzliche Steckdosen, etc., mitbestimmen kann.  Weiter sieht das Kreisschreiben Anhaltspunkte für einen Kaufvertrag mit unechtem Werkvertrag, wenn Verkaufsprospekte oder Verkaufsinserate auf ein fertig erstelltes Bauobjekt ausgerichtet sind und einen Gesamt(kauf)preis angeben. 

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Das Kreisschreiben der Verwaltungskommission des Obergerichts des Kantons Zürich will die Zürcher Notariate im Hinblick auf ihre Belehrungs- und Beratungspflichten bei Gesamtüberbauungen und die damit verbundenen beurkundungsrechtlichen Problemstellungen sensibilisieren.  So entwickelte das Kreisschreiben Kriterien und Anhaltspunkte, um die verschiedenen Möglichkeiten, den Kauf von sich im Bauprozess befindlichen Bauten vertraglich zu gestalten, voneinander abzugrenzen. 

Soweit eine öffentliche Beurkundung auch für die werkvertraglichen Elemente erforderlich ist, entspricht der Kaufpreis dem Entgelt für die fertig erstellte Baute.  Zudem muss diesfalls ein allfälliger Drittersteller der Baute ebenfalls in das Beurkundungsverfahren einbezogen werden.  Vor diesem Hintergrund geht das Kreisschreiben davon aus, dass einige Bau- und Immobilienfirmen mit einer Praxisänderung der zürcherischen Notariate konfrontiert sein werden.

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zugehöriges Kreisschreiben Obergericht

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