Asbest in Immobilien
Ausgangslage
Im Jahr 2002 kaufte die X AG von der Y AG in Genf eine Landparzelle, auf welcher ein Haus mit Baujahr 1958 stand. Zwei Jahre später begann die Käuferin X AG das besagte Haus zu renovieren. Im Verlauf der Renovationsarbeiten musste sie feststellen, dass im Haus Asbest verbaut wurde. Ein vom Kanton Genf durchgeführtes Gutachten bestätigte den Befund von Asbest an verschiedenen Orten im Haus. Die daraufhin eingeleiteten Massnahmen zur Asbestbeseitigung im Erdgeschoss wurden im November 2004 abgeschlossen, doch rechneten die beigezogenen Architekten mit Gesamtkosten von etwa einer Million Franken. Im November 2006 erbat die X AG vom Kanton Genf einen Verteilschlüssel, wie diese Kosten zwischen ihr und der früheren Eigentümerin sowie Verkäuferin Y AG zu verteilen sind. Die angerufene kantonale Behördenstelle wollte allerdings nicht Hand bieten zu einem solchen Verteilschlüssel, weil es sich beim betroffenen Gebäude nicht um eine Altlast im Sinne von Art. 32c und Art. 32d des Umweltschutzgesetzes (SR 814.01, nachfolgend auch "USG") handle. Ein von der X AG dagegen eingereichter Rekurs wurde von der kantonalen Rekurskommission abgewiesen. Das anschliessend angerufene Verwaltungsgericht des Kantons Genf hiess die Appellation der X AG jedoch gut, zumal es sich bei Asbest um Abfall im Sinne des USG handle und demgemäss auch eine Altlast vorliege im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Abfallverordnung (SR 814.680, nachfolgend auch "AltlV"). Dementsprechend müsse der Kanton Genf mit Verweis auf Art. 32d USG auch eine Verfügung über die Kostenverteilung zur Sanierung der Liegenschaft erlassen.
Daraufhin gelangte das Bundesamt für Umweltschutz, das sich ebenfalls in dieser Streitigkeit engagierte, mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht und verlangte die Aufhebung des Entscheids des kantonalen Verwaltungsgerichtes.
Aus den Erwägungen des Bundesgerichts
Zunächst verwies das Bundesgericht in seinem Entscheid (BGer-Entscheid vom 4. November 2009, 1C_178/2009, BGE 136 III 142) auf Art. 7 Abs. 6 USG, wonach Abfälle gemäss USG bewegliche Sachen sind, deren sich der Inhaber entledigt oder deren Entsorgung im öffentlichen Interesse geboten ist. Die vom Bundesgericht selbst als delikat bezeichnete Streitfrage war somit vorliegend, ob das im besagten Haus verbaute Asbest unter diese Begriffsdefinition subsumiert werden kann. Obwohl es sich bei in einem Gebäude verbauten Materialien grundsätzlich nicht (mehr) um bewegliche Sachen handelt, erinnerte das Bundesgericht daran, dass es mit Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung dennoch nicht ausgeschlossen ist, dass auch in ein neutrales Material eingebundene Substanzen durchaus als Abfall im Sinne des Umweltschutzgesetzes qualifiziert werden können (vgl. BGE 131 II 743: Blei in einem Zielhügel eines Schiessstandes oder BGer 1A.250/ 2005: in den Untergrund ausgelaufenes Heizöl). Das Bundesgericht hielt es jedoch für fraglich, dass Asbest unter diese Begriffsbestimmung fällt, weil Asbest (damals) bewusst als Werkstoff mit dem ihm eigenen (damals durchwegs als positiven bekannten) Eigenschaften eingesetzt wurde; man sich also (damals) gerade nicht dessen entledigen wollte (subjektiver Abfallbegriff). Zudem war es für das Bundesgericht vorliegend und trotz Verweises auf die Rechtslehre nicht genügend klar, ob für die Bejahung eines öffentlichen Interesses zur Asbestbeseitigung nur der Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes oder auch eine heutige Sichtweise massgebend sein soll (objektiver Abfallbegriff).
Ob Asbest trotzdem als Abfall im Sinne des Umweltschutzgesetzes gelten kann, liess das Bundesgericht jedoch letztlich offen. Denn seiner Ansicht nach kann in ein Gebäude verbautes Asbest erst gar nicht als Altlast im Sinne der Altlastenverordnung qualifiziert werden. Dabei war entscheidend, dass das Bundesgericht mit Verweis auf die Rechtslehre und Art. 5 Abs. 3 lit. c AltlV davon ausging, dass die in Art. 2 Abs. 1 AltlV aufgezählten Arten von Altlasten abschliessend zu verstehen ist und ein mit Asbest verseuchtes Gebäude unter keine der in der Altlastenverordnung aufgezählten belasteten Standortbegriffe (Ablagerungs-, Betriebs- oder Unfallstandort) fällt.
So ist vorliegend gemäss Bundesgericht und mit Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung kein Ablagerungsstandort nach Art. 2 Abs. 1 lit. a AltlV gegeben, weil Asbest (damals) bewusst als Baustoff verwendet wurde und dort nicht mit dem Zweck der Entsorgung eingebracht wurde. Weiter liegt gemäss Bundesgericht hier auch kein Betriebsstandort gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. b AltlV vor. Denn beim besagten Gebäude handelte es sich nicht um eine stillgelegte oder noch in Betrieb stehende Anlage, in denen mit umweltgefährdenden Stoffen, z. B. mit Asbest, umgegangen wurde. Vielmehr dienten die Räumlichkeiten des Gebäudes Wohn- und kommerziellen Zwecken. Ebenso wenig handelte es sich beim fraglichen Gebäude um einen Unfallstandort gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. c AltlV, der wegen eines ausserordentlichen Ereignisses belastet wurde. Dementsprechend hob das Bundesgericht den kantonal letztinstanzlichen Entscheid auf und entband die kantonale Behörde, eine Kostenverteilung zulasten des heutigen und früheren Eigentümers der besagten Liegenschaft vorzunehmen.
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Soweit Asbest bei der Erstellung von Bauwerken als Baustoff verwendet wurde, hat das Bundesgericht entschieden, dass keine Altlast resp. kein belasteter Standort im Sinne der Altlastenverordnung vorliegt. Folgedessen und weil das Umweltschutzgesetz an den Begriff des belasteten Standortes gemäss der Altlastenverordnung anknüpft, kommen auch die in Art. 32c ff. USG geregelten Sanierungs- und Kostentragungspflichten nicht zur Anwendung. Aus dem Blickwinkel der Gemeinwesen ist dabei insbesondere interessant dass somit auch die in Art. 32d Abs. 3 USG vorgesehene Kostenübernahme durch das Gemeinwesen, falls die eigentlich pflichtigen Verursacher nicht ermittelt werden können oder zahlungsunfähig sind, entfällt.
Beim Verkauf einer allenfalls mit Asbest kontaminierten Liegenschaft kommt vor diesem Hintergrund der vertraglichen Regelung der Gewährleistungspflichten eine noch zentralere Bedeutung zu. Dabei sind die Vertragsparteien gut beraten, sich (aus Sicht des Käufers) das Nichtvorhandensein von Asbest ausdrücklich zusichern zu lassen resp. (aus Sicht des Verkäufers) bei einem Gewährleistungsausschluss explizit vorzusehen, dass dieser Ausschluss auch das eventuell erst später entdeckte Asbest erfasst.