Möglichkeiten und Grenzen der Löschung von Grunddienstbarkeiten

Ausgangslage

Im ersten Fall ist auf einem Grundstück A im Grundbuch ein Wegrecht zugunsten des benachbarten Grundstücks B als Grunddienstbarkeit eingetragen. Das besagte Wegrecht ist jedoch nicht auf das sogenannt dienende Grundstück A beschränkt, sondern beschlägt insgesamt drei nebeneinander liegende Grundstücke. Mit dem genannten Wegrecht hat sich der damalige Eigentümer des berechtigten Grundstückes B vor langer Zeit den Zugang zu seinem eigenen Grundstück von einer angrenzenden Strasse aus sichern lassen. Seit der damaligen Eintragung der genannten Grunddienstbarkeit im Grundbuch zulasten des Grundstücks A stellte sich heraus, dass das Wegrecht auf dem Grundstück C in Wirklichkeit gar nicht bestand. Dies hatte zur Folge, dass das Wegrecht nicht in der ursprünglich beabsichtigten Form beansprucht werden konnte. Trotzdem nahm der Eigentümer des Grundstücks B nach wie vor seinen Weg über die drei besagten Grundstücke, obwohl er wegen des unterbrochenen Wegrechts auf dem Grundstück C gar nicht berechtigt war, von seinem eigenen Grundstück ungehindert bis zur Strasse zu gelangen. Wie ist die Rechtslage?

Im zweiten Fall geht es um einen Eigentümer des Grundstücks A mit Seeanstoss und Bootshaus. Auf dessen Grundstück lastet eine Grunddienstbarkeit zu Gunsten des Nachbargrundstücks B. Die besagte Dienstbarkeit räumt dem Eigentümer des Nachbargrundstücks B das „Benützungsrecht des Bootshauses mit Zugangsrecht zwecks Benützung und Einstellung eines privaten Ruder- und Motorbootes“ ein. Der dienstbarkeitsbelastete Eigentümer stört sich schon lange an dieser Dienstbarkeit. Denn diese Dienstbarkeit wurde vor Jahren zugunsten des berechtigten Grundstücks nur errichtet, weil der Eigentümer des berechtigten Grundstücks damals den Bau eines Hauses auf seinem Grundstück plante, das er dann vom Grundstück A aus mit seinem Boot erreichen wollte. Seither wurde das Grundstück B infolge einer Parzellierung aber von ursprünglich 1’133 m2 auf nur noch 100 m2 reduziert, sodass der Bau eines Hauses auf dem Grundstück B illusorisch ist. Wie ist die Rechtslage?

Lösungsansätze

Art. 976 Abs. 1 ZGB sieht vor, dass eine Grundbucheintragung gelöscht werden kann, wenn diese jede rechtliche Bedeutung verloren hat. Dabei kann der belastete Grundstückeigentümer die Löschung verlangen; zudem kann der Grundbuchverwalter in einem rein administrativen Verfahren die Löschung von Amtes wegen vornehmen, wenn die Ausübung der eingetragenen Grunddienstbarkeit endgültig und offensichtlich unmöglich wurde.

Im ersten Fall führte das Bundesgericht aus, dass bei der Frage, ob ein Interesse an der Aufrechterhaltung einer eingetragen Grunddienstbarkeit zugunsten eines Nachbargrundstücks noch bestehe, vom sogenannten Grundsatz der Identität der Dienstbarkeit auszugehen sei. Danach darf eine Dienstbarkeit nur zu dem Zweck aufrechterhalten werden, zu welchem sie errichtet worden ist. Demgegenüber führt die Unmöglichkeit, die Dienstbarkeit (in diesem ursprünglichen Sinne) auszuüben, zum Verlust des Interesses für das berechtigte Grundstück.

Demnach kann das auf dem Grundstück A lastende Wegrecht auf Begehren des belasteten Grundstückeigentümers oder in klaren Fällen sogar von Amtes wegen gelöscht werden. Denn die Dienstbarkeit wurde auf dem Grundstück A zu einem Zweck errichtet („Überquerung von drei Grundstücken zum Erreichen der angrenzenden Strasse“), den sie nicht mehr erfüllen kann. Weitere Anwendungsfälle solcher Löschungen sind zeitlich befristete Dienstbarkeiten, wenn die entsprechende Frist abgelaufen ist.

Wenn sich der berechtigte Eigentümer gegen eine Löschung wehrt oder die Sachlage wie im zweiten Fall nicht völlig klar ist, ist das administrative Verfahren mit der Löschung von Amtes wegen ausgeschlossen. Diesfalls muss der Eigentümer des belasteten Grundstücks die Löschung der Dienstbarkeit nicht beim Grundbuchverwalter, sondern beim Richter verlangen (Art. 736 Abs. 1 ZGB). Der Richter wird die Rechtslage würdigen und dabei nicht nur den konkreten Inhalt und Wortlaut der Dienstbarkeit berücksichtigen, sondern v.a. darauf achten, ob die Dienstbarkeit auch heute noch demjenigen Zweck, für den sie ehemals errichtet wurde, dient bzw. dienen kann.

In zweiten Fall müsste darum geprüft werden, ob die Dienstbarkeit tatsächlich zum Zweck errichtet wurde, um ein noch zu bauendes Haus über den Seeweg erreichen zu können. Kann dies bejaht werden und wurde das Haus anschliessend nicht gebaut, so hat der Eigentümer des dienstbarkeitsbelasteten Grundstücks A einen Anspruch auf die Löschung der besagten Dienstbarkeit, wenn der Nachbar den Weg zum Bootshaus z.B. nur benutzt, um mit seinem Boot bloss auf dem See herumzufahren. Ist das Interesse des Berechtigten zwar noch vorhanden, aber im Vergleich zur Belastung von unverhältnismässig geringer Bedeutung, und ist die Dienstbarkeit noch ihrem ursprünglichen Zweck gemäss ausübbar, so kann die Dienstbarkeit nur gegen Entschädigung gelöscht werden (Art. 736 Abs. 2 in fine ZGB). Hat der besagte Nachbar B z.B. auf der verbliebenen Restfläche ein Häuschen gebaut, das aber auch über einen anderen Weg als über den Seeweg erreicht werden kann, so wäre wohl gleichfalls die Löschung der besagten Dienstbarkeit anzuordnen, der Nachbar dafür aber zu entschädigen.Im ersten Fall ist auf einem Grundstück A im Grundbuch ein Wegrecht zugunsten des benachbarten Grundstücks B als Grunddienstbarkeit eingetragen. Das besagte Wegrecht ist jedoch nicht auf das sogenannt dienende Grundstück A beschränkt, sondern beschlägt insgesamt drei nebeneinander liegende Grundstücke. Mit dem genannten Wegrecht hat sich der damalige Eigentümer des berechtigten Grundstückes B vor langer Zeit den Zugang zu seinem eigenen Grundstück von einer angrenzenden Strasse aus sichern lassen. Seit der damaligen Eintragung der genannten Grunddienstbarkeit im Grundbuch zulasten des Grundstücks A stellte sich heraus, dass das Wegrecht auf dem Grundstück C in Wirklichkeit gar nicht bestand

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