Sicherheits- und Haftungsrisiken bei Alt-Aufzugsanlagen

Sachverhalt

Herr X besuchte im September 2000 seine Mutter, die im 4. Stock einer Liegenschaft in Thun wohnte. Die Liegenschaft stand im Eigentum von Y. Nach dem Besuch benutzte X den Aufzug, um vom 4. Stock ins Parterre zu gelangen. Dabei hielt der Lift jedoch weder im Parterre (der Zielhaltestelle) noch im Keller (der Endstation), sondern prallte mit ungebremster Sinkgeschwindigkeit auf den Auffahrpuffer im Aufzugsschacht. Dieser Vorfall führte bei X zu körperlichen Beschwerden. In der Folge verklagte X den Hauseigentümer Y und forderte die Zahlung einer Genugtuung und verlangte weiter, dass ihm der bisher entstandene, vorläufige Schaden aus diesem Unfallereignis im Umfang von CHF 46'000 ersetzt werde. Die beiden angerufenen kantonalen Instanzen wiesen die Klage ab, weil der Aufzug im Zeitpunkt des Ereignisses den gültigen Normen entsprochen habe und im Rahmen eines Vollunterhaltsvertrages angemessen gewartet worden sei. Herr X gelangte daraufhin mit eidgenössischer Berufung ans Bundesgericht.

Gesetzliche Grundlagen

Im Zentrum der gerichtlichen Auseinandersetzung stand die Frage, ob es bei der fehlerhaften Aufzugsanlage um einen „Werkmangel“ im Sinne von Art. 58 OR handelt. Gemäss dieser Bestimmung hat der Eigentümer eines Gebäudes oder eines anderen Werks den Schaden zu ersetzen, den dieses infolge von fehlerhafte Anlage oder Herstellung oder von mangelhafter Unterhaltung verursacht. Ob ein Werk fehlerhaft angelegt oder mangelhaft unterhalten ist, hängt zunächst vom Zweck ab, den es zu erfüllen hat. Zudem liegt ein Werkmangel vor, wenn das Werk bei bestimmungsgemässem Gebrauch keine genügende Sicherheit bietet. Vorzubeugen hat der Werkeigentümer dabei jedoch nicht jeder denkbaren Gefahr, sondern nur jener, die sich aus der Natur des Werks und seiner normalen Benützung ergibt.

Erwägungen des Bundesgerichts

Zunächst hielt das Bundesgericht (BGEr-Entsscheid vom 2. März 2005, 4C.385/2004) fest, dass es - trotz korrekter Benützung des Aufzugs durch Herrn X - aufgrund eines Zählfehlers eines Magnetschalters, der Teil der Aufzugssteuerung war, zu Fehlfunktionen gekommen ist. Dabei handelte es sich gemäss der verbindlichen Sachverhaltsdarstellung der Vorinstanz um einen bekannten, technisch jedoch nicht gänzlich vermeidbaren Funktionsfehler. Das kantonale Beweisverfahren ergab weiter, dass der eingebaute Überfahrschutz zwar den Normen entsprach, dieser jedoch nicht auf den Ausschluss jeden Risikos ausgelegt war. In Weiteren wurde festgestellt, dass der Aufzug sporadisch die falsche Haltestelle anfuhr, Störungen jedoch nicht häufiger als bei einem beliebigen anderen Aufzug von vergleichbarem Alter und Standard auftraten. Trotzdem verneinte das Bundesgericht die Schlussfolgerung der kantonalen Instanzen, dass es sich aufgrund dieser Unvermeidbarkeit nicht um eine mangelhafte Anlage im Sinne von Art. 58 OR handle. Denn nach der Ansicht des Bundesgerichts besteht bereits ein Werkmangel, falls in der entsprechenden Aufzugsanlage kein wirksamer Überfahrschutzmechanismus angebracht ist, selbst wenn auch dann diese (bekannte) Fehlfunktion des Überfahrens technisch nicht völlig ausgeschlossen werden kann.

Das Bundesgericht liess im Weiteren das Argument der Vorinstanz nicht gelten, eine Haftung des Werkeigentümers sei ausgeschlossen, weil der Aufzug im Zeitpunkt des Ereignisses den gültigen Normen entsprochen habe und im Rahmen eines Vollunterhaltsvertrages angemessen gewartet worden sei. Das Bundesgericht rief dazu in Erinnerung, dass die Werkeigentümerhaftung nach Art. 58 OR die strengste Kausalhaftung darstellt, die selbst dann greift, wenn dem Haftpflichtigen keine Sorgfaltspflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Zudem bejahte das Bundesgericht sogar die präventive Auswechslung der ganzen Aufzugssteuerung, deren Teil der fehlerhafte Zähl-Magnetschalter war, obwohl keine erhöhte Steuerungsanfälligkeit der Aufzugsanlage beobachtet werden konnte und selbst bei einer Auswechslung der Steuerung ein vergleichbarer Funktionsfehler technisch nicht ausgeschlossen werden kann.

 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Die jüngste bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Werkeigentümerhaftung nach Art. 58 OR stellt eine weitere Verschärfung der Haftung von Hauseigentümern für eingebaute Aufzugsanlagen dar. Denn trotz Einhaltung der gültigen Normen und trotz angemessener Wartung einer Aufzugsanlage bejaht das Bundesgericht die Haftung des Werkeigentümers für fehlerhaft funktionierende Aufzugsanlagen, sofern nicht allen bekannten Sicherheitsrisiken durch wirksame Sicherheitsvorkehrungen bestmöglichst begegnet wurde.

Es ist den Werkeigentümern von älteren Aufzugsanlagen daher zu empfehlen, sich mit dem Aufzugshersteller resp. mit der Unterhaltsfirma in Verbindung zu setzen, um sich über die aktuell möglichen Sicherheitsvorkehren bei Aufzugsanlagen zu informieren und allenfalls die notwendigen Verbesserungsvorkehren zu treffen.

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