Informations- und Auskunftspflichten bei Vertragsverhandlungen
Sachverhalt
Der Vermieter A schloss mit dem Mieter B einen Mietvertrag über einen Restaurationsbetrieb ab. Vor Abschluss des Mietvertrags liess der Vermieter dem späteren Mieter einen „Vergleich der Gewinn- und Verlustrechnungen“ des Restaurationsbetriebs für die Jahre 1990 und 1991 zukommen. Zu diesem Zeitpunkt lag der Geschäftsabschluss für das Jahr 1992 zwar noch nicht vor, für den Vermieter war es jedoch bereits absehbar, dass die Umsatzzahlen der Jahre 1990 und 1991 im Jahr 1992 nicht mehr erreicht würden. Bei Vertragsabschluss wurde der nachmalige Mieter über diesen Umsatzrückgang nicht informiert. In der Folge focht der Mieter den Mietvertrag wegen Täuschung an. Das Obergericht wies die Klage ab, da der Umsatzrückgang nicht derart dramatisch gewesen sei und der Mieter den Restaurationsbetrieb ohnehin anders als bisher hätten führen wollen (einen Drittel mehr Betriebstage als bisher). Zudem hielt es das Obergericht für nicht erwiesen, dass die Kenntnis des Umsatzrückgangs für den Abschluss des Mietvertrags kausal gewesen sei, weshalb die Anfechtung des Mietvertrags wegen Täuschung unzulässig sei. Daraufhin gelangte der Mieter mit eidgenössischer Berufung ans Bundesgericht.
Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht (BGer vom 11. Januar 2005, 4C.225/2004) hielt vorab fest, dass für Gegebenheiten, welche den Entschluss zum Abschluss eines Vertrags nicht wesentlich beeinflussen, die Gegenpartei keine Aufklärungspflichten treffen. Vorliegend war es nach der Beweiswürdigung der Vorinstanz erwiesen, dass schon aufgrund des abweichenden Betriebskonzepts des neuen Mieters mit mehr Betriebstagen der Umsatzrückgang im Jahre 1992 für den Entscheid, den besagten Mietvertrag abzuschliessen, nicht entscheidend war. Fehlt dieser Konnex („Kausalität“) zwischen der mangelnden Information und dem Entscheid, den Mietvertrag abzuschliessen, ist es nach Ansicht des Bundesgerichts sogar unerheblich, ob der Vermieter diesbezüglich falsche Angaben machte. Ebenso verneinte das Bundesgericht den Anspruch des Mieters, den besagten Mietvertrag wegen Grundlagenirrtums nach Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR erfolgreich anzufechten. Denn der Mieter konnte nicht beweisen, dass er die Umsatzzahlen der Jahre 1990 und 1991 als notwendige Grundlage für den Abschluss des Mietvertrags betrachtete.
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Obwohl sich der Mieter und der Vermieter bereits vor dem Abschluss eines Mietvertrags, d.h. im Rahmen der vorgängigen Vertragsverhandlungen, nach Treu und Glauben verhalten müssen, treffen diese keine umfassenden Aufklärungs- und Informationspflichten. So hat der Vermieter z.B. keine Verpflichtung, den Mieter im Rahmen von Vertragsverhandlungen von sich aus darauf hinzuweisen, dass er nur für einen Teil der mutmasslich anfallenden, jährlichen Nebenkosten monatliche Anzahlungen verlangen werde. Vielmehr ist es dem Mieter zuzumuten, sich selbst nach dem geschätzten Abrechnungsbetrag zu erkundigen oder mit dem Vermieter einen Höchstbetrag für Nachzahlungen für Akontozahlungen zu vereinbaren (BGE 132 III 29, vgl. auch die Jus-News Ausgabe vom Januar 2006). Im hier besprochenen Entscheid rief das Bundesgericht besonders in Erinnerung, dass neben der Frage des Umfangs der Informations- und Aufklärungspflicht, immer auch geklärt werden muss, inwieweit der geltendgemachte Informationsrückstand für den Abschluss des Mietvertrags für den Mieter überhaupt wesentlich resp. kausal war. Kann dies bereits verneint oder nicht bewiesen werden, ist eine weitere Prüfung, ob die zur Diskussion stehende Auskunft oder Information überhaupt hätte gegeben werden müssen, nicht mehr notwendig.