Pflanzabstände - Verwirkung Beseitigungsanspruch

Ausgangslage

Mit dem zaghaften Frühlingsbeginn richtet sich das Augenmerk wieder zusehends auf den Garten mit dessen derzeit blühenden Sträuchern und Bäumen.  Aber nicht nur die Gewächse im eigenen Garten interessieren den der Natur zugeneigten Eigentümer.  Vielmehr ist auch des Nachbars Garten von grossem Interesse, wobei besonders die grenznahen Gewächse interessieren und zu Nachbarstreitereien führen können, die manchmal bis vor das Bundesgericht gezogen werden.

Im vorliegenden Fall störte sich der Grundstückeigentümer A daran, dass der Nachbar B verschiedene Bäume und Hecken in einem ungesetzlichen Unterabstand zur Grundstückgrenze gesetzt habe.  Vor dem zuständigen Bezirksgericht machte er mit einer Klage vom 14. Mai 2012 erfolgreich geltend, dass der Nachbar B gerichtlich verpflichtet wurde, einen im Jahre 1979/80 gesetzten, grossen Ahorn zu fällen sowie einen kleinen Ahorn auf einer Höhe von 3 Metern sowie eine Hecke auf einer Höhe von 1.8 Metern unter der Schere zu halten.  Gegen die Fällung des grossen Ahorns legte der Nachbar Berufung ein und erhielt vom angerufenen Obergericht des Kantons Aargau recht, weil der Anspruch auf die Beseitigung des grossen Ahorns verwirkt sei.  Der Grundstückeigentümer A wiederum zog den Obergerichtsentscheid ans Bundesgericht weiter und forderte erneut die Fällung des grossen Ahorns.

Erwägungen des Bundesgerichts

Zunächst einmal verwies das Bundesgericht in seinem Entscheidauf die bundesgesetzliche Regelung von Art. 688 ZGB.  Danach sind die Kantone unter anderem befugt, für Anpflanzungen je nach der Art des Grundstückes und der Pflanzen bestimmte Abstände vom nachbarlichen Grundstück vorzuschreiben.  Halten Pflanzungen kantonalrechtliche Abstände nicht ein, kann nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ihre Beseitigung verlangt werden, ohne den Nachweis übermässiger Einwirkungen erbringen zu müssen.  Allerdings können die kantonalrechtlichen Bestimmungen solche Beseitigungsansprüche befristen, insbesondere Verjährungsfristen vorsehen.

Im vorliegenden Fall, der sich im Kanton Aargau zutrug, gab es in den einschlägigen Gesetzesbestimmungenkeine ausdrückliche Bestimmung über die Befristung der Ansprüche auf Beseitigung von Pflanzen, die – wie hier der grosse Ahorn unstrittig – im Unterabstand gepflanzt worden waren.  Gleichwohl und trotz der fehlenden Regelung entwickelte das Aargauische Obergericht in den 1980er Jahren die Praxis, dass ein solcher Beseitigungsanspruch wegen verzögerter Rechtsausübung (im Sinne von Rechtsmissbrauch) verwirken könne.  Für die Beurteilung, wie lange das widerspruchslose Dulden der Verletzung von Abstandsvorschriften andauern muss, bis der Beseitigungsanspruch verwirkt, gilt nach dem obergerichtlichen Entscheid die Frist der ausserordentlichen Ersitzung von 30 Jahren gemäss Art. 662 Abs. 1 ZGB als Richtlinie.

Das Bundesgericht schützte diese kantonale Praxis, wonach eine Befristung im öffentlichen Interesse an Rechtssicherheit und Rechtsfrieden liegt.  So ist es gemäss dem Bundesgericht auch nicht mit dem Grundsatz von Treu und Glauben vereinbar, dem Nachbarn das (zeitlich unbeschränkte) Recht zu geben, die Beseitigung von (im gesetzlichen Unterabstand gesetzten) Bäumen und Sträuchern zu verlangen, die er während langer Zeit ohne Widerspruch geduldet hat.  Weiter soll der Nachbar nach dem Bundesgericht die Beseitigung einer Pflanze nicht mehr verlangen können, wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt gross und wertvoll geworden ist und eine Versetzung ohne erhebliche Kosten und Schädigung der Pflanze nicht mehr möglich ist. 

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Spätestens mit dem Ablauf von 30 Jahren seit der Setzung einer Pflanze im ungesetzlichen Grenz-abstand überwiegt das Interesse des Eigentümers am Bestand der Pflanze.  Vorliegend konnte vom (immer noch gleichen) Grundstückeigentümer A nach Treu und Glauben erwartet werden, dass er die Beseitigung des grossen Ahorns (dessen Belastung in all den Jahren nicht zugenommen hatte), zuvor hätte verlangen (und dies beweisen) müssen, um sich nicht dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs auszusetzen. 

Im Unterschied zum Kanton Aargau kennen die meisten Kantone andere Befristungen, die bereits vor Ablauf der vorgenannten Verwirkungsfrist von 30 Jahren greifen.  So sieht beispielsweise der Kanton Zürich vor, dass die Klage resp. der Anspruch auf Beseitigung von Bäumen und Sträuchern, welche ungesetzlich nahe an der Grenze stehen, bereits nach fünf Jahren verjährt.

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