Von der Beherbergung von Familie und Freunden

Ausgangslage

Mieter X mietete seit Juni 1997 eine 3-Zimmerwohnung in Versoix im Kanton Genf.  Seit dem Jahr 2003 mietete X eine zweite Wohnung in Lausanne, wo er seit 1996 arbeitete.  Aufgrund finanzieller Probleme liess X seinen Bruder seit dem Jahr 2004 in seiner Wohnung in Versoix gratis wohnen.  Zusätzlich liess X ab dem Jahr 2005 auch noch einen seit mehreren Jahren arbeitslosen Freund in der besagten Wohnung unentgeltlich wohnen.  Der Mieter X selbst war jeweils (nur) an den Wochenenden in der Wohnung in Versoix zusammen mit dessen Freund, währendem der Bruder von X an den Wochenenden jeweils seine Freundin sowie die Eltern in Frankreich besuchte.  X klärte den Vermieter Y nie über diese Wohnverhältnisse auf.

Mitte Juli 2006 mahnte der Vermieter Y den Mieter X ab.  Er verlangte von X die sofortige Beendigung der nicht bewilligten Untermiete und drohte ihm die ausserordentliche Kündigung des Mietvertrages an, wenn er innert 10-tägiger Frist die Mieträumlichkeiten nicht wieder selbst bewohne.  Der Mieter X reagierte nicht, weshalb Y mit Verweis auf Art. 257f Abs. 3 OR (Verletzung der Sorgfalt und Rücksichtnahme) das Mietverhältnis unter Verwendung des amtlichen Formulars kündigte.

Nach erfolgloser Durchführung des Schlichtungsverfahrens gelangte X an das zuständige Mietgericht und verlangte die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung.  Während das Mietgericht die Unwirksamkeit feststellte, bestätigte die von Y angerufene kantonale Appellationsinstanz die Rechtmässigkeit der Kündigung und erkannte auf die sofortige Ausweisung. 

Die Appellationsinstanz ging zwar davon aus, dass keine Untermiete vorliege, weil der Bruder sowie der Freund von X keinen Mietzins bezahlten.  Die Appellationsinstanz kam aber zum Schluss, dass sich diese unentgeltliche und unbefristete Überlassung der Mietwohnung an den Bruder von X sowie an dessen Freund nicht mit dem sorgfältigen Gebrauch der Mietsache nach Art. 257f Abs. 1 vereinbaren lasse.  Dabei berief sich die Appellationsinstanz auf den Wortlaut des Mietvertrags, der vorsah, dass die Mietsache "ausschliesslich zu Wohnzwecken" (durch X) genutzt werden dürfe. Dies sei vorliegend nicht der Fall resp. entspreche die Nutzung nicht dem Vereinbarten, weil der Mieter X hauptsächlich in Lausanne wohne und in Versoix nur noch ein pied-à-terre habe.  Im Übrigen stellte sich die Appellationsinstanz auf den Standpunkt, dass die Situation jedenfalls analog der gesetzlichen Regelungen zur Untermiete behandelt werden könne:  Weil X sich geweigert habe, den Begehren des Vermieters Y zu folgen und zudem die besagte Nutzung einem Austausch des Mieters gleichkomme, seien Art. 262 Abs. 2 lit. a und lit. c OR betroffen, weshalb der Vermieter Y auch die Zustimmung zu dieser Art der Nutzung der Mieträumlichkeiten habe verweigern können. 

Daraufhin gelangte der Mieter X mit der Beschwerde in Zivilsachen ans Bundesgericht.

Aus den Erwägungen des Bundesgerichts

Zunächst stellte das Bundesgericht in seinem Entscheid (BGer-Entscheid vom 6. April 2010, 4A_47/2010) mit Verweis auf die Rechtslehre klar, dass sich der zwischen dem Vermieter und dem Mieter vereinbarte Nutzung primär aus dem Gebrauchszweck der entsprechenden Mieträumen ergebe (z. B. als Wohn-, Lager- oder Büroraum, Atelier, etc.).  Ebenso könne sich aus den im Mietvertrag vorgesehenen Gebrauchsmodalitäten, z. B. die Bestimmung des Kreises der Benutzer der Mieträumlichkeiten, der von den Parteien vereinbarte Gebrauch ergeben.  Weiter hielt das Bundesgericht fest, dass Mieträumlichkeiten grundsätzlich nicht zwingend vom Mieter selbst bewohnt werden müssen; vorbehalten bleibe allerdings eine anderslautende Vereinbarung im zugehörigen Mietvertrag. 

Vorliegend kam das Bundesgericht zum Schluss, dass die Formulierung im Mietvertrag, dass die Mieträumlichkeiten "ausschliesslich zu Wohnzwecken" genutzt werden dürften, auch einer (hauptsächlichen) Nutzung der Wohnung durch den Bruder von X sowie durch dessen Freund nicht entgegenstehe.  Vielmehr habe X nach Treu und Glauben davon ausgehen dürfen, dass der Vermieter mit dieser Formulierung bloss die kommerzielle Nutzung der Mieträumlichkeiten habe ausschliessen wollen.  Weil die sorgfältige Nutzung von Wohnräumlichkeiten auch deren Benutzung durch Familienangehörige oder andere nahestehende Personen grundsätzlich nicht ausschliesse, sei Art. 257f Abs. 1 OR somit nicht verletzt worden und hätte der Vermieter Y eine solche Drittnutzung ausdrücklich resp. viel klarer im Mietvertrag ausschliessen müssen. 

Zum Schluss kritisierte das Bundesgericht noch die Ansicht der Genfer Appellationsinstanz, dass vorliegend die Regelungen zur Untermiete herangezogen werden könnten.  Aufgrund der unentgeltlichen Überlassung der Wohnung an den Freund sowie an den Bruder von X liege kein Untermietverhältnis, sondern vielmehr ein Leihverhältnis nach Art. 305 ff. OR vor.  Im Weiteren liess es sich das Bundesgericht nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass selbst bei Vorliegen einer Untermiete der Vermieter Y seine Zustimmung vorliegend nicht hätte verweigern dürfen.  Abschliessend und mit Verweis auf den ebenfalls in den Jus-News besprochenen Bundesgerichtsentscheid 134 III 446[3] hielt das Bundesgericht fest, dass angesichts der vorliegenden Sachverhaltslage hier keine missbräuchliche Untermiete gegeben sei.  Denn gemäss dem für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhalt bewohnte der Mieter X die Wohnung in Versoix jedes Wochenende und habe somit nie wirklich die Nutzung dieser Wohnung aufgegeben.

Zusammenfassung und Empfehlungen

Das Bundesgericht stellte in seinem Entscheid klar, dass eine dem Gebrauchszweck entsprechende Nutzung von Wohnräumlichkeiten nicht zwingend durch den eigentlichen Mieter selbst erfolgen muss.  Vielmehr können solche Mieträumlichkeiten auch durch Familienangehörige oder sonst dem Mieter nahestehende Personen genutzt werden.  Dies ist jedenfalls solange auch ohne (die grundsätzlich zu erteilende) Zustimmung des Vermieters zulässig, als der Mieter hierfür von den Benutzern kein Entgelt erhält und somit auch kein Untermietverhältnis vorliegt.

Will ein Vermieter eine solche Nutzung der von ihm vermieteten Wohnung verhindern, muss er den Ausschluss der Drittnutzung durch andere Personen als den Mieter im Mietvertrag ausdrücklich vorsehen.

Artikel im PDF-Format

Zurück
Zurück

Maklervertrag: Ausser Spesen nix gewesen?

Weiter
Weiter

Grundsatzurteil zum Kündigungsschutz