Zurück an den Start bei Art. 54 VVG: Revision der Revision
Ausgangslage
Am 1. Januar 2006 trat das revidierte Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (SR 221.229.1, nachfolgend VVG) in Kraft. Dabei wurde in Art. 54 VVG eine für die Immobilienwirtschaft bedeutende Neuerung eingeführt: Wechselt die Eigentümerschaft eines versicherten Grundstücks, endet der entsprechende Versicherungsvertrag grundsätzlich zum Zeitpunkt der Handänderung (Art. 54 Abs. 1 VVG). Anlass zu dieser Teilrevision des VVG gab die Kritik, dass die bisherige Regelung des (automatischen) Übergangs des bestehenden Versicherungsvertrags auf den Liegenschaftserwerber neuen Versicherern den Marktzutritt verhindere und der heutigen Vertragsgerechtigkeit widerspreche (wir berichteten darüber in der Ausgabe Juni/2006).
Widerstand gegen die Revision
Gegen diese neue Regelung formierte sich Widerstand: Alt Nationalrat Rolf Hegetschwiler (FDP) reichte im Oktober 2006 eine parlamentarische Initiative ein (Nr. 06.468). Er begründete seinen Vorstoss damit, dass insbesondere die Erben eines verstorbenen Gebäudeeigentümers von dieser Revision von Art. 54 VVG betroffen seien. Denn auch der Todesfall des bisherigen Gebäudeeigentümers führe zu einem Eigentümerwechsel und habe - nach dem revidierten Gesetzeswortlaut - die Beendigung des laufenden Versicherungsvertrages zur Folge. Vor allem bei den oft unvorhersehbaren und plötzlich eintretenden Todesfällen sowie angesichts der vielfach langen Dauer für die Erbschaftsabwicklung sei diese Situation unhaltbar, weil die Erben als neue Eigentümer der Gefahr ausgesetzt seien, persönlich - ohne Versicherungsdeckung - Schäden tragen zu müssen, die nach dem Tod des ehemaligen Eigentümers eingetreten sind (soweit nicht rechtzeitig eine neue Versicherung für das neu erworbene Grundstück abgeschlossen wurde). Vor diesem Hintergrund forderte Alt Nationalrat Hegetschweiler, dass der heute geltende Art. 54 VVG durch die ursprüngliche Regelung der Handänderung ersetzt wird, wonach der Vertrag bei einem Eigentümerwechsel auf den neuen Eigentümer übergeht. Sein Vorschlag für den revidierten Gesetzestext lautete: "[Art. 54 VVG Abs. 1 unverändert] Ist ein Grundstück Gegenstand des Versicherungsvertrages, so geht der Vertrag bei einer Handänderung auf den Erwerber über, sofern dieser oder der Versicherer den Vertrag nicht innert 14 Tagen nach der Handänderung kündigen.[Art. 54 Abs. 2 rev. VVG]".
Politische Beratungen und Beschlüsse
Die Kommissionen für Wirtschaft und Abgaben des National- und Ständerats (nachfolgend WAK-N resp. WAK-S) haben diese Initiative gemäss dem parlamentarischen Verfahren vorberaten und ihr Folge gegeben. Die WAK-N war im Übrigen der Ansicht, dass das in der Initiative aufgeworfene Problem nach einer raschen Lösung verlange und dass nicht die Vorlage des Bundesrats zur Totalrevision des VVG abgewartet werden sollte. Die WAK-N erarbeitete einen revidierten Gesetzeswortlaut, der die Stossrichtung der Initiative aufnahm und sogar noch etwas weiterging, als es der Initiant damals vorhatte. So soll der revidierte Gesetzeswortlaut neben der Übernahme der ursprünglichen Regelung der Handänderung nicht nur Grundstücke, sondern auch Fahrnis (bewegliche Gegenstände) erfassen. Zudem wurden die Fristen für die Vertragsauflösung überarbeitet.
Der Bundesrat begrüsste in seiner Stellungnahme vom 3. September 2008 das Schliessen einer Deckungslücke mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf und nahm von der Vorlage ohne Änderungsanträge zustimmend Kenntnis. Zurzeit liegt im Entwurf folgender Gesetzestext zu Art. 54 VVG vor: "Wechselt der Gegenstand des Vertrages den Eigentümer, so gehen die Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag auf den neuen Eigentümer über [Abs. 1]. Der neue Eigentümer kann den Übergang des Vertrages durch eine schriftliche Erklärung bis spätestens 30 Tage nach der Handänderung ablehnen [Abs. 2]. Das Versicherungsunternehmen kann den Vertrag innert 14 Tagen nach Kenntnis des neuen Eigentümers kündigen. Der Vertrag endet frühestens 30 Tage nach der Kündigung [Abs. 3]. Ist mit der Handänderung eine Gefahrserhöhung verbunden, so gelten die Artikel 28 ff. [VVG] sinngemäss [Abs. 4]."
Der Nationalrat als Erstrat stimmte in seiner Sitzung vom 25. September 2008 einstimmig für die Annahme des Entwurfs. Es wird sich in den nun folgenden Diskussionen und Abstimmungen in der WAK-S und im Ständerat zeigen, ob der vorgeschlagene Gesetzeswortlaut Bestand haben wird resp. wann dieser revidierte Art. 54 VVG in Kraft gesetzt werden kann.