Vorsicht beim Gewährleistungsausschluss
Ausgangslage
Das Bundesgericht hatte die beiden nachfolgend vorgestellten Rechtsstreitigkeiten in Zusammenhang mit Grundstückkaufverträgen zu beurteilen. In beiden Streitfällen sahen die Parteien im jeweiligen Kaufvertrag eine Gewährleistungsausschlussklausel vor. Weiter gemeinsam war diesen beiden Entscheiden, die zwar mehr als 20 Jahre auseinander liegen, dass erst nach der Eigentumsübertragung gravierende Mängel des verkauften Baulands resp. des verkauften Wohnhauses zum Vorschein kamen. Zudem hatten in beiden Fällen weder Käufer noch Verkäufer von diesen Mängeln zuvor Kenntnis und mussten gemäss den verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der kantonalen Vorinstanzen von diesen Mängeln auch gar keine Kenntnis haben.
Fall 1: Heizöl verseuchtes Bauland
Den ersten dieser Streitfälle entschied das Bundesgericht im Jahre 1981 (BGE 107 II 161). Die Parteien vereinbarten im Kaufvertrag über Bauland unter anderem folgende Klausel: „Die Gewährspflicht der Verkäufer für Sachmängel an den Kaufsobjekten wird aufgehoben. Die Parteien sind über die Bedeutung dieser Bestimmung orientiert.“ Nach der Eigentumsübertragung entdeckte der Käufer bei Aushubarbeiten, dass während Jahren tausende von Litern Heizöl aus einer defekten Verbindungsleitung zu früher auf diesem Grundstück betriebenen Gewächshäusern ausgeflossen waren. Er verklagte den Verkäufer auf Schadenersatz in der Höhe von ingesamt ca. CHF 370'000, wobei diese Sanierungskosten mehr als 10% des Kaufpreises ausmachten.
Fall 2: Feuchtigkeitsschäden und Pilzbildungen im Haus
Im zweiten Fall hatte das Bundesgericht im Jahr 2004 folgenden Sachverhalt zu beurteilen (BGE 130 II 686): Ein Wohnhaus wurde für CHF 450'000 verkauft, wobei der Verkäufer zuvor noch diverse Renovationsarbeiten durchführen liess. Im Kaufvertrag wurde die Gewährleistung für körperliche und rechtliche Mängel des Kaufgrundstücks im gesetzlich zulässigen Rahmen ausgeschlossen. Nachdem der Kläger in das Kaufsobjekt einzog, zeigten sich Feuchtigkeitserscheinungen in der Liegenschaft sowie an diversen Stellen im und am Haus Schimmelpilzbildungen und sonstige Feuchtigkeitsspuren. Weil auch das dem Käufer neugeborene Kind eine allergische Reaktion auf die Schimmelpilze zeigte, war ein Wohnungswechsel rasch möglichst angezeigt. Die notwendigen Sanierungsarbeiten von ca. 150'000 entsprachen dabei etwa einem Drittel des Kaufpreises.
Gesetzliche Grundlagen
Auch bei Grundstücken gilt zunächst, dass der Verkäufer dem Käufer sowohl für die zugesicherten Eigenschaften als auch dafür haftet, dass die Sache nicht körperliche oder rechtliche Mängel hat, die ihren Wert oder ihre Tauglichkeit zu dem vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder erheblich mindern. Insbesondere haftet der Verkäufer auch dann, wenn er die Mängel nicht gekannt hat (vgl. Art. 197 OR i.V.m. Art. 221 OR). Diese gesetzliche Regelung kann jedoch vertraglich abgeändert werden. Insbesondere kann die Gewährspflicht des Verkäufers aufgehoben oder beschränkt werden, soweit der Verkäufer den Käufer die Gewährsmängel nicht arglistig verschwiegen hat (Art. 199 OR).
Bundesgerichtliche Erwägungen
Obwohl in beiden Fällen weder der Verkäufer noch der Käufer die beschriebenen Mängel gekannt hatte oder diese hätten kennen müssen, beliess es das Bundesgericht nicht mit einem Verweis auf die vereinbarte Ausschlussklausel. Vielmehr war es der Ansicht, dass die Erkennbarkeit der Mängel allein nicht ausschlaggebend ist für die Frage, ob der Verkäufer (trotz der Ausschlussklausel) für die besagten Mängel dem Käufer gegenüber haftet. So stellte das Bundesgericht zunächst fest, dass die Parteien bezüglich des Umfangs des vertraglich vereinbaren Gewährleistungsausschlusses keinen übereinstimmenden wirklichen Willen hatten und legte darum die jeweils vereinbarte Gewährleistungsausschlussklausel nach dem Vertrauensgrundsatz aus. Dreh und Angelpunkt war somit die Beantwortung der Frage, wie die vereinbarte Ausschlussklausel nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie nach den gesamten Umständen des Einzelfalls von den Parteien nach Treu und Glauben verstanden werden durfte und musste.
Weiter erinnerte das Bundesgericht daran, dass Lehre und Rechtssprechung bei der Auslegung von Ausschlussklauseln eine gewisse Einschränkung hinsichtlich der Natur der Mängel vornehme. So fielen nur „gewöhnliche Mängel“, mit deren Vorhandensein bei Vertragsschluss wenigstens einigermassen zu rechnen sei, unter die Ausschlussklausel resp. in den vertraglich festgelegten Wirkungskreis der Gewährleistungsausschlussklausel. Mit Verweis auf die bundesgerichtliche Rechtssprechung führte das Bundesgericht zudem aus, dass ein Mangel dann nicht vom Gewährleistungsausschluss erfasst würden, wenn dieser gänzlich ausserhalb dessen liege, womit ein Käufer vernünftigerweise rechnen müsse.
Zudem kritisierte das Bundesgericht in seinen Erwägungen, dass die Parteien traditionelle Wegbedingungsformeln verwendeten, die gemäss Bundesgericht von den Parteien als Floskeln ohne rechtliche Bedeutung betrachtet werden könnten. Weiter führte das Bundesgericht aus, dass eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, insbesondere das Verhältnis zwischen Kaufpreis und Mängelkosten, durchaus relevant ist und bei der Frage mitberücksichtigt wird, ob der Käufer die Kaufsache zum beabsichtigen Zweck nutzen kann resp. die negative Beantwortung dieser Frage zur Feststellung nach Treu und Glauben führt, dass der Käufer aufgrund des Missverhältnisses mit dieser Art von Mangel nicht gerechnet hatte.
Im Heizöl–Fall schützte das Bundesgericht den Verkäufer und die vereinbarte Freizeichnungsklausel. Das Gericht war in diesem Fall der Ansicht, dass der Käufer mit einem solchen Mangel in diesem Ausmass hätte rechnen müssen, weil den Parteien bekannt war, dass auf dem Grundstück früher ein Gewächshaus unter Verwendung einer Heizanlage betrieben wurde. Im zweiten Fall mit den Feuchtigkeitsschäden kam das Bundesgericht hingegen zum Schluss, dass der Käufer mit den genannten Mängeln in diesem Ausmass nicht rechnen musste. So habe der Käufer das Haus zu Wohnzwecken erworben, wofür dieses aufgrund des Mangels weitgehend untauglich sei. Darum erfasse die vertraglich vereinbarte Ausschlussklausel die genannten gravierenden Mängel nicht resp. der Verkäufer könne sich nicht auf die vertraglich vereinbarte Gewährleistungsausschlussklausel berufen.
Urteilsanalyse
Zunächst erstaunen die rechtlichen Schlussfolgerungen des Bundesgerichts. Insbesondere wird nicht näher diskutiert, wieso die gesetzliche Regelung in Art. 199 OR, die einzig den Gewährleistungsausschluss bei arglistigem Verschweigen von Mängeln durch den Verkäufer für ungültig erklärt, diese inhaltliche Weiterung erfahren soll. Zudem äusserte sich das Bundesgericht nicht dazu, dass der Käufer dieser sicher weitgehenden Ausschlussklausel, die keine Einschränkung auf normalerweise zu erwartende Mängel vorsieht, sondern vom Wortlaut her schlichtweg alle Mängel beinhaltet, zugestimmt hat. Im Weiteren hat diese Rechtsprechung zur Folge, dass bei einer zu restriktiven Interpretation der käuferseits vernünftigerweise zu erwartenden Mängel der Sinn von Ausschlussklauseln empfindlich geschwächt wird. Dies gilt insbesondere für Fälle, wo speziell wegen Mängeln mit weitreichenden Kostenfolgen solche Ausschlussklauseln vereinbart wurden.
Um die Gefahr zu minimieren, dass Gewährleistungsausschlussklauseln just erhebliche Mängel nicht erfassen, müssen in Grundstückskaufverträgen anderweitige vertragliche Regelungen und Klarstellungen aufgenommen werden. Dabei sollte in erster Linie die aufgezeigte Kritik des Bundesgerichts an den konkret beurteilten Ausschlussklauseln ernst genommen und vertraglich umgesetzt werden.
Empfehlungen
Wir empfehlen:
Vorformulierte Standardausschlussklauseln sind auf das konkret vorliegende Verkaufsgeschäft anzupassen.
Es sind in den individuell abgefassten Klauseln beispielhaft verschiedene mögliche, allenfalls auch nicht naheliegende Mängel des Kaufsobjekts namentlich aufgezählt werden, welche unter Umständen auch den Zweckgebrauch der Kaufsache über Gebühr einschränken oder sogar verunmöglichen könnten
Exemplarisch zu erwähnen sind Mängel an der Bausubstanz (wie Wände, Fundament, Dach), Mängel des Bodens resp. des Baugrunds, Asbest- oder Radon-Gasvorkommen im zu verkaufenden Haus (vgl. auch Jus-News Ausgaben Juni und Juli 2007), weitere negative Einwirkungen und Einflüsse von Umwelt von Naturkräften auf die Liegenschaft, etc.
Weiter ist im Kaufvertrag ausdrücklich zu erklären, dass diese Ausschlussklausel insbesondere diese nicht abschliessend aufgezählten möglichen Mängel erfasst und die Parteien - trotz der beidseitiger Unkenntnis solcher Mängel im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses - mit deren Eintritt rechneten.
Zudem kann vertraglich vorgesehen werden, dass die Höhe des vereinbarten Kaufpreises unter Berücksichtigung solcher möglicher Mängel festgelegt worden ist.