Revision des Versicherungsvertrags-Gesetzes

Praktische Auswirkungen der Revision des Versicherungsvertrags-Gesetzes

Ausgangslage

Am 1. Januar 2006 trat das revidierte Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (SR 221.229.1, nachfolgend VVG) in Kraft. Dabei wurde in Art. 54 VVG eine für die Immobilienwirtschaft bedeutende Neuerung eingeführt: Wechselt die Eigentümerschaft eines versicherten Grundstücks, endet der entsprechende Versicherungsvertrag grundsätzlich zum Zeitpunkt der Handänderung (Art. 54 Abs. 1 VVG). In Kantonen mit einem Versicherungs-Obligatorium für Gebäude gegen Feuer- und Elementarschäden bei privaten Versicherungsträgern besteht insofern eine Ausnahme zum genannten Grundsatz, als solche Verträge auf den Erwerber übergehen, wenn dieser oder der Versicherer den Vertrag nicht innert 14 Tagen nach der Handänderung kündigen (Art. 54 Abs. 2 VVG).

Auslöser dieser VVG-Revision waren die Kritik der Schweizerischen Kartellkommission sowie parlamentarische Vorstösse. Es wurde insbesondere kritisiert, dass die bisherige Regelung des (automatischen) Übergangs des bestehenden Versicherungsvertrags auf den Liegenschaftserwerber neuen Versicherern den Marktzutritt verhindere und der heutigen Vertragsgerechtigkeit widerspreche (vgl. die Motion Vollmer vom 6. März 1996). Zudem bezeichnete die Schweizerische Kartellkommission dieses bisher geltende Prinzip der Unteilbarkeit der Prämie als „historisches Fossil“. Mit der automatischen Beendigung des Versicherungsvertrags gemäss Revision wollte man insbesondere erreichen, dass es im Zuge der Eigentumsübertragung zwischen dem Erwerber und dem Veräusserer keine Probleme mehr mit bereits bezahlten Prämienteilen gebe. Darum sieht Art. 24 Abs. 1 VVG neu auch vor, dass bei einer Beendigung des Versicherungsvertrags die Prämie grundsätzlich nur für die Zeit bis zur Vertragsauflösung (d.h. bis zur Handänderung) geschuldet ist.

Gleichwohl sind mit dieser Revision des VVG nicht alle praktischen Schwierigkeiten beseitigt. Zudem wirft diese neue Regelung in der Praxis zahlreiche neue Fragen auf. Insbesondere: Wie kann die Beendigung des Versicherungsvertrags auf den Zeitpunkt der Handänderung zeitlich abgestimmt werden auf den (meist späteren) Zeitpunkt des Übergangs von Nutzen und Schaden auf den Erwerber?

Übergang von Nutzen und Schaden

Beim Grundstückskauf entspricht es gängiger Beurkundungspraxis, den Übergang von Nutzen und Schaden vertraglich zu regeln. Oft wird für die Übernahme des Grundstücks ein bestimmter (zukünftiger) Zeitpunkt festgelegt und dieser Zeitpunkt auch für den Übergang von Nutzen und Schaden vom Veräusserer auf den Erwerber erklärt. Zudem wird regelmässig erst dann der Hauptteil des Kaufpreises zur Zahlung fällig bestimmt. Diese vertragliche Regelung macht durchaus Sinn; insbesondere bei der Übertragung eines sich erst im Rohbau befindlichen Hauses. Denn der Käufer soll erst nach dessen Fertigstellung Nutzen und Schaden übernehmen müssen. Mit Blick auf die Regelung von Art. 54 Abs. 1 VVG ergibt sich nun aber eine zeitlich verschiedene Inanspruchnahme von Käufer und Verkäufer der Liegenschaft. Denn der Verkäufer ist bereits ab dem Zeitpunkt der Handänderung (wegen der gesetzlichen Vertragsbeendigung nach Art. 54 Abs. 1 VVG) Prämienzahler resp. der Käufer muss einen neuen Versicherungsvertrag für eine Liegenschaft abschliessen, obwohl er daran noch keinen Nutzen und Schaden hat.

In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass das Gesetz den Grundsatz aufstellt, dass Nutzen und Schaden bereits mit dem Vertragsabschluss auf den Erwerber übergehen (Art. 220 OR und subsidiär Art. 185 OR). Darauf folgt, dass (vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung der Parteien) Nutzen und Schaden eigentlich bereits auf den Zeitpunkt der öffentlichen Beurkundung des Kaufvertrags (Art. 216 Abs. 1 OR) auf den Erwerber übergehen würden. Mit anderen Worten haben es die Parteien selbst zu verantworten, wenn sich der Zeitpunkt des Übergangs von Nutzen und Schaden massgeblich unterscheidet vom Übergang der Pflicht zur Leistung von Versicherungsprämien für die entsprechende Liegenschaft.

Bei der Vertragsbeendigung nach Art. 54 VVG handelt es sich demgegenüber um eine gesetzliche Regelung, von der nicht durch vertragliche Übereinkunft abgewichen werden kann. Deshalb muss der Erwerber, der neu ab dem Zeitpunkt der Handänderung Versicherungsprämien bezahlen muss, mit dem Veräusserer nach Möglichkeit eine vertragliche Regelung treffen, wonach sich der Verkäufer während der Bauarbeiten bis zum verabredeten (späteren) Zeitpunkt des Übergangs von Nutzen und Schaden an der Bezahlung der Prämien beteiligt. Mit Vorteil wird diese vertragliche Regelung vorgängig mit dem Versicherer abgeklärt und in die öffentliche Urkunde aufgenommen.

Nutzniessung durch den Verkäufer

Falls der Verkäufer zwischen dem Kaufvertragsabschluss und dem mit dem Käufer vereinbarten (späteren) Übergang von Nutzen und Schaden in der verkauften Liegenschaft wohnen bleibt, muss der Käufer wegen der nun als Fremdnutzung zu qualifizierenden Bewohnung des Hauses durch den Verkäufer für diese Zeit eine Gebäudehaftpflichtversicherung abschliessen. Zusätzlich werden üblicherweise weitere Versicherungen gegen Wasser, Glasbruch, Hagel, etc. abgeschlossen. Falls der Verkäufer bis zum Zeitpunkt des Übergangs von Nutzen und Schaden in der verkauften Liegenschaft als Nutzniesser wohnen bleibt, hat er die Liegenschaft zugunsten des (neuen) Eigentümers gegen Feuer und andere Gefahren, soweit diese ortsüblich sind und die Substanz der Nutzniessungssache betreffen, zu versichern (Art. 767 Abs. 1 ZGB). Zudem hat der Nutzniesser die in dieser Zeit anfallenden Versicherungsprämien zu tragen (Art. 767 Abs. 2 ZGB).

[Hinweis:  Art. 54 VVG wurde zwischenzeitlich wieder revidiert.  Die aktuelle Bestimmung finden Sie hier; vgl. auch den zugehörigen Artikel im PDF-Format vom November 2008]

Artikel im PDF-Format

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