Formfreiheit im Immobilien-Leasing

Sachverhalt

Die Bank A schloss als Leasinggeberin mit der X AG als Leasingnehmerin einen schriftlichen Immobilien-Leasingvertrag über eine Stockwerkseigentumseinheit in einem Gewerbehaus ab. Im Vertrag wurde eine feste Dauer von 10 Jahren vereinbart. Zudem wurde festgehalten, dass das Leasingobjekt nach Ablauf dieser Vertragsdauer von der Y AG zu einem Restwert von CHF 720'000.— brutto übernommen werden könne. Alternativ dazu wurde vereinbart, dass die Y AG das Leasingobjekt der Bank A zurückgeben kann, damit diese daraufhin die Immobilie verwerten, verkaufen oder weiter verleasen kann. In diesem Fall muss die Leasingnehmerin Y AG der Bank A jedoch die Differenz bezahlen zwischen dem allenfalls tieferen Erlös zum genannten Restwert. Falls der Verwertungserlös aber höher ist als der Restwert, wurde vereinbart, dass die Leasingnehmerin an diesem Mehrwert mit 75 % partizipieren solle. Als dritte Option sah der Leasingvertrag vor, dass die Y AG nach Ablauf der festen Vertragsdauer den Leasingvertrag zu neuen Konditionen verlängern kann. Die Y AG entschied sich im Januar 2003 für die Rückgabe des Leasingobjekts, worauf dieses von der Bank A für CHF 575'000.— brutto an einen Dritten veräussert wurde.

Im Februar 2003 belangte die Bank A die Y AG für die Differenz zwischen den Restwert von CHF 720'000.— und dem Verkaufserlös von 575'000.—. Die kantonalen Gerichte schützten das Forderungsbegehren der Bank A. Daraufhin gelangte die Y AG mit eidgenössischer Berufung ans Bundesgericht.

Erwägungen des Bundesgerichts

Zunächst rief das Bundesgericht in Erinnerung (BGer-Entscheid vom 30. Juni 2006, 4C.109/2006), dass bei den normalerweise verwendeten Immobilien-Leasingverträgen die Leasinggesellschaft nach den Wünschen und Bedürfnissen des Leasinggebers eine gewerblich oder industriell nutzbare Immobilie erwirbt. Anschliessend wird diese dem Leasinggeber langfristig gegen eine periodisch zu entrichtenden Leasingzins zur Nutzung und zum Gebrauch überlassen. Der der Leasingnehmer kann die zu leistenden Leasingzinsen gemäss den steuerlichen Abschreibungssätzen amortisieren, wobei der Leasingnehmer das Leasingobjekt am Ende der ordentlichen Leasingdauer zum Preis der nicht amortisierten Investitionskosten kaufen, auf dieser Basis weiterleasen oder zurückgeben kann. Die klägerische Leasingnehmerin Y AG führte zur Begründung der Berufung insbesondere an, dass der besagte Immobilien-Leasingvertrag als Ganzes hätte öffentlich beurkundet werden müssen. Denn dem Leasinggeber verbleibe mit dem Abschluss des Vertrags am Leasingobjekt nur das „nackte“ Eigentum, währenddem der Leasingnehmer faktisch die Eigentümerstellung erlange. Weiter führte die Y AG aus, dass wenn nicht der ganze Vertrag, so doch die in Frage stehenden Vertragsklauseln zur Rückgabe des Leasingobjekts hätten öffentlich beurkundet werden müssen. Da dies jedoch nicht geschehen sei, seien mindestens diese Bestimmungen formungültig, womit auch der geltend gemachte Anspruch auf Bezahlung der erwähnten Differenz zwischen Verwertungserlös und dem vertraglich fixierten Restkaufpreis nicht geschuldet sei.

Das Bundesgericht hielt in seiner Begründung vorab fest, dass gemäss Art. 11 Abs. 1 OR Verträge grundsätzlich formfrei gültig zustande kommen. Dieser Grundsatz der Formfreiheit gelte auch für Leasingverträge, die als sogenannte Innominatverträge (d.h. nicht gesetzlich geregelte Verträge) bezeichnet werden. Insbesondere könne der Immobilien-Leasingvertrag nicht als Vertrag auf Eigentumsübertragung qualifiziert werden, welcher gemäss Art. 216 Abs. 1 OR und Art. 257 Abs. 1 ZGB der öffentlichen Beurkundung bedürfte. Denn im Unterschied zum Grundstückkaufvertrag, der die Eigentumsübertragung gegen Bezahlung eines Kaufpreises zum Inhalt hat, hat der Immobilien-Leasingvertrag keine solche Eigentumsübertragung zum Inhalt, zumal nach Ablauf der Leasingdauer der Leasingnehmer nicht Eigentümer des Leasingobjekts ist. Davon klar zu unterscheiden ist jedoch das vielfach in Immobilien-Leasingverträgen enthaltene Kaufsrecht, welches nach Art. 216 Abs. 2 OR dem Formzwang der öffentlichen Beurkundung untersteht. Gemäss den Ausführungen des Bundesgerichts steht dieses Kaufsrecht dem Leasingnehmer aber nur wahlweise zur Verfügung, weshalb es beim Leasingvertrag nicht zwingend zu einer Eigentumsübertragung und somit zu einer öffentlichen Beurkundung derselben komme. Zudem geht es nach der Ansicht des Bundesgerichts nicht an, die vertraglich vereinbarte Pflicht des Leasingnehmers, die Differenz zwischen den Verwertungserlös und dem vertraglich fixierten Restwert als Kaufpreiszahlung zu qualifizieren. Denn nicht der Leasinggeber, der das Leasingobjekt zurückgibt, sondern vielmehr der Dritterwerber entrichte den Kaufpreis, währenddem der Leasingnehmer nur die genannte Differenz auszugleichen habe.

Nach dem Ausgeführten entschied das Bundesgericht einstimmig, dass der vorliegende Immobilien-Leasingvertrag in der Form der einfachen Schriftlichkeit formgültig abgefasst worden sei. Dementsprechend müsse die Leasingnehmerin Y AG der Leasinggeberin Bank A die besagte Differenz zurückzuerstatten.

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Das Bundesgericht stellte in seinem Entscheid klar, dass die Möglichkeit der Übernahme des Leasingobjekts zu einem im Voraus bestimmten Restwert als Kaufsrecht zu qualifizieren und diese Option zu einer Eigentumsübertragung führt, wobei die entsprechende Klausel nach Art. 216 Abs. 2 OR öffentlich zu beurkunden ist. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Leasingnehmer das Leasingobjekt nach Ablauf der Vertragsdauer zurückgibt. Diesfalls findet keine Übertragung des Eigentums auf den Leasingnehmer statt, weshalb diese Rückgabe nicht öffentlich zu beurkunden ist und der Leasingvertrag formfrei gültig ist.

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