Mehrwertsteuer-Erhöhung auf 2024 – Formularpflicht?

Ab dem 1. Januar 2024 beträgt die Mehrwertsteuer in der Schweiz 8.1 %.  Muss bei Mehrwertsteuer-optierten Mietverträgen diese Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes um 0.4 % mit amtlichen Formular gemäss Art. 269d OR angezeigt werden?

Ausgangslage, Rechtsgrundlagen und Fragestellung

Das Schweizer Stimmvolk hat am 25. September 2022 entschieden, den Mehrwertsteuersatz von 7.7 % auf neu 8.1 % zu erhöhen für die Zusatzfinanzierung der AHV.  Der neue Mehrwertsteuer-Normalsatz von 8.1 % gilt ab dem 1. Januar 2024 und kann insbesondere bei der Anmietung von Geschäftsräumlichkeiten zur Anwendung kommen, falls sich die Vertragsparteien auf eine Unterstellung der Mietzinsleistung unter die Mehrwertsteuerpflicht geeinigt haben. Bei einer solch freiwilligen Unterstellung dieser von der Mehrwertsteuerpflicht grundsätzlich befreiten Leistungen spricht man von sog. „optierten“ Mietverträgen.

Gemäss Art. 269d OR kann der Vermieter den Mietzins jederzeit auf den nächstmöglichen Kündigungstermin erhöhen. Er muss dem Mieter die Mietzinserhöhung mindestens zehn Tage vor Beginn der Kündigungsfrist auf einem vom Kanton genehmigten Formular mitteilen und begründen (Abs. 1). Dies gilt auch, wenn der Vermieter beabsichtigt, sonstwie den Mietvertrag einseitig zu Lasten des Mieters zu ändern, namentlich seine bisherigen Leistungen zu vermindern oder neue Nebenkosten einzuführen (Abs. 3).

 Mit Blick auf die auf nächstes Jahr anstehende Erhöhung des Normalsatzes der Mehrwertsteuer stellt sich vorliegend die Frage, ob die Vermieterschaft bzw. deren Verwaltung den Mieterschaften mit sog. optierten Mietverträgen den – aufgrund des höheren Normalsatzes – höheren Mietzins mit amtlichem Formular gemäss den Regelungen in Art. 269d OR anzeigen muss.  Oder kann solchen Mieterschaften der neue Mietzins formlos bzw. mit einem einfachen Informationsschreiben angezeigt werden, vor allem aus administrativen und buchhalterischen Gründen zur Sicherstellung der richtigen, vollständigen Bezahlung und Abrechnung der ab dem 1. Januar 2023 erbrachten Vermietungsleistungen (ev. unter gleichzeitiger Zustellung neuer QR-Codes mit der neuen Mietzinshöhe an die betreffenden Mieterschaften).

Sinn und Zweck sowie Auslegung von Art. 269d OR

Dem Autor ist zur Fragestellung kein direkt einschlägiger Gerichtsentscheid bekannt, insbesondere kein Bundesgerichtsentscheid.  Ebenso – und soweit ersichtlich – hat sich die Rechtsliteratur zum Mietrecht auch noch nicht mit dieser Fragestellung ausdrücklich und im Einzelnen auseinandergesetzt.  Immerhin hat sich das Bundesgericht im Jahr 2021 zu einem in rechtlicher Hinsicht zumindest vergleichbaren Sachverhalt geäussert, der an sich bereits lesenswert ist und auch für die vorliegende Fragestellung hilfreiche Klarstellungen enthält.

In diesem Bundesgerichtsentscheid ging es um das eidgenössische Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz (nachfolgend „WEG“), das unter anderem bezweckt, den Bau von Wohnungen zu fördern (insb. mit Erschliessungshilfen) und die Wohnkosten, vorab die Mietzinse, zu verbilligen.  Dabei unterstützt der Bund durch gezielte Massnahmen den Bau von Wohnungen zu besonders günstigen Mietzinsen, wobei diese staatlich geförderten Verbilligungen während mindestens 25 Jahren einer amtlichen Mietzinsüberwachung unterliegen bzw. die behördlich festgelegten Mietzinse während der Dauer der Mietzinsüberwachung nur im Rahmen der vom Bundesrat zu ordnenden Mietzinsanpassungen geändert werden dürfen.  Entsprechend und gemäss Art. 253b Abs. 3 OR finden auf derartige Mietverhältnisse die obligationenrechtlichen Bestimmungen über die Anfechtung missbräuchlicher Mietzinse keine Anwendung.

Vor diesem Hintergrund stellte sich dem Bundesgericht im vorgenannten Entscheid die Rechtsfrage, ob bzw. wie die Mieterschaften derart geförderter Mietverhältnisse über den Ablauf dieser amtlichen Mietzinsüberwachung bzw. über den Wegfall der öffentlich-rechtlichen Zusatzverbilligung informiert werden können und vor allem, ob für diese Anzeige der Vermieterschaft über den nunmehr von den betreffenden Mieterschaften geschuldeten, gesamten (nicht mehr verbilligten und damit für die Mieterschaft höheren) Mietzinsbetrag das amtliche Formular verwendet (sowie die Fristen gemäss Art. 269d OR beachtet) werden müssen.

Zunächst umriss das Bundesgericht den Anwendungsbereich und die Grenzen von Art. 269d OR:  „Diese Bestimmung erfasst vom Vermieter gewollte und veranlasste einseitige Vertragsänderungen zu Lasten des Mieters ("modifications unilatérales du contrat par le bailleur". Eine Änderung des Mietzinses, die nicht eine Mietzinserhöhung darstellt, kann formfrei angezeigt werden.“

Im Weiteren hielt das Bundesgericht fest, dass mit dem Ablauf der Laufzeit dieser Bundeshilfe bzw. mit dem Wegfall der WEG-Bestimmungen und der damit einhergehenden, vollumfänglichen Anwendbarkeit der OR-Regelungen auch die Bestimmungen über die Anfechtung missbräuchlicher Mietzinse anwendbar seien und damit Mietzinserhöhungen und andere einseitige Vertragsänderungen durch den Vermieter gemäss Art. 269d OR auf dem amtlichen Formular mitgeteilt werden müssten.  Das Bundesgericht hielt zur beurteilten Fallkonstellation zugleich aber auch fest, dass „nicht eine von der Vermieterin bewirkte einseitige Mietzins- oder sonstige Vertragsänderung zur Diskussion [stehe], sondern der Wegfall der öffentlich-rechtlichen Zusatzverbilligung“. Weiter hielt das Bundesgericht fest: „Es geht mit anderen Worten nicht um die Ausübung eines Gestaltungsrechts im Sinne von Art. 269d OR zu Lasten der Mieterin, gegen die sich Letztere zivilrechtlich zur Wehr setzen können muss“.  Und: „Entgegen ihrer Meinung [der dortigen Mieterschaft] handelt es sich bei der Zusatzverbilligung [gemäss dem WEG] auch nicht um eine "Zahlungsmodalität", deren Aufhebung eine einseitige Änderung des Mietvertrags im Sinne von Art. 269d Abs. 3 OR bedeutete.“

Mit Blick auf die vorliegende Fragestellung, ob bei einer Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes das amtliche Formular gemäss Art. 269d OR verwendet werden muss, können inhaltliche Parallelen gezogen werden zum vorgenannt diskutierten Bundesgerichtsentscheid und die dortigen Erwägungen des Bundesgerichts herangezogen werden, wie und in welcher Form die Mieterschaft über einen derart erhöhten Mietzins informiert werden können.  Davon zu unterscheiden und auch abzugrenzen ist die Unterstellung eines zuvor nicht optierten Geschäftsmietverhältnisses unter die Mehrwertsteuerpflicht, wofür die Anzeige mit amtlichem Formular erforderlich ist.

Zunächst einmal handelt es sich bei der Erhöhung des Mietzinses wegen einer Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes um keine einseitige, von der Vermieterschaft angestossene und gewollte Mietzinserhöhung, sondern bloss um den dynamischen und auch automatischen Nachvollzug einer Änderung im Mehrwertsteuergesetz, auf dessen Anwendbarkeit und Berücksichtigung sich die Mietvertragsparteien für die Bestimmung des gesamthaft und konkret geschuldeten Mietzinses geeinigt haben.  

Genauso wenig handelt es sich um die Anpassung einer Zahlungsmodalität, indem bloss die gesetzlich geschuldete Mehrwertsteuer weiterbelastet wird, deren Sätze selbst bei Wohnungsmieten indirekt spürbar werden, wenn die im betreffenden Mietverhältnis besonders vereinbarten Betriebs- und Unterhaltskosten steigen und in der Form von Nebenkosten dem Mieter mit einem erhöhten Mehrwertsteuersatz weiterbelastet werden können.

Ebenso wenig kann die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes gleichgesetzt werden mit einer Anpassung bzw. Erhöhung des Mietzinses beim indexierten Mietverhältnis gemäss Art. 269b OR i.V.m. Art. 19 Abs. 2 VMWG.  Denn die Verordnung regelt ausdrücklich, speziell und ausschliesslich, dass das amtliche Formular verwendet werden muss, wenn die Vermieterschaft den Mietzins einem vereinbarten Index bzw. bei Mietverhältnissen dem Landesindex der Konsumentenpreis anpasst oder den Mietzins auf Grund der vereinbarten Staffelung erhöht.  Hinzu kommt, dass – im Gegensatz zu den indexierten Mietverhältnissen – die erhöhten Mehrwertsteuerlabgaben nicht der Vermieterschaft, sondern allein dem Staat zugutekommen.

Mit anderen Worten und weil die Kenntnis der einschlägigen Rechtsgrundlagen, hier die Höhe des aktuell bzw. jeweils gültigen Mehrwertsteuersatzes, von den (hier freiwillig, aber immerhin) gesetzlich unterstellten Rechtssubjekten erwartet und deren inhaltliche Kenntnis selbst bei tatsächlichem Nichtwissen fingiert wird, kommen die neuen und für die optierten Mietverträge geltenden Mehrwertsteuersätze also ab dem 1. Januar 2024 zur Anwendung, und zwar unabhängig davon, ob sich die Vertragsparteien im Vorfeld dieser Gesetzesänderung dazu überhaupt austauschen.  Gleichwohl wird der Vermieterschaft aus administrativen Gründen sowie für eine reibungslose Abwicklung und Verbuchung der ab 2024 insgesamt höheren Mietzinsbeträge empfohlen, sich gegen Ende des laufenden Jahres 2023 mit einem Schreiben bei ihren Mieterschaften mit optierten Mietverträgen schriftlich zu melden und ihnen dabei den neuen Mietzins anzuzeigen und allenfalls gleich neue QR-Codes für den neuen Zahlungslauf zukommen zu lassen.

Zusammenfassend und vor dem Hintergrund des vorstehend Ausgeführten handelt es sich bei der Anzeige der Vermieterschaft an die Mieterschaften mit optierten Mietverhältnissen, dass sich der Mehrwertsteuersatz von 7.7 % um 0.4 % auf 8.1 % erhöht (und sich demgemäss im gleichen Umfang auch die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs für die betreffenden Mieterschaften erhöht), um keine Mietzinserhöhung im Sinne von Art. 269d OR.  Vielmehr handelt es sich dabei um eine (andere) Änderung des Mietzinses, die keine Mietzinserhöhung im Sinne von Art. 269d OR darstellt, die es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts durchaus gibt und die demgemäss der Mieterschaft formfrei angezeigt werden kann.

 

Dieser Fachartikel wurde publiziert in der Oktober-Augabe der Immobilia, einem Publikationsorgan des SVIT Schweiz, sowie in der Facheitschrift MietRecht Aktuell / MRA, Heft 2/2023, S. 71 ff.

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Anfangsmietzinsanfechtung:  Wichtige prozessuale Weichenstellungen des Bundesgerichts

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Vormerkung Mietverhältnis im Grundbuch:  Sachliche Zuständigkeit (Fachartikel in Mietrecht Aktuell 2022/3)