Auch für Makler: Bundesgerichtsurteil schafft neue Einsichten ins Grundbuch

Ausgangslage und Fragestellung

Im Rahmen einer erbrechtlichen Auseinandersetzung verlangte die Erbin A beim zuständigen Grundbuchamt die Zustellung einer Kopie des Grundstückkaufvertrags zwischen ihrem Bruder B und einem Dritten.  Dem Bruder B war das besagte Grundstück zuvor gestützt auf einen Erbteilungsvertrag zum Anrechnungspreis X übertragen worden.  Grund für die Anfrage beim Grundbuchamt war die Vermutung der Erbin A, dass ihr Bruder B den anderen Erben verschwiegen habe, dass er bereits vor dieser Übertragung ein besseres, d. h. ein höheres Angebot dieses Dritten vorliegen gehabt habe.  Dieses vermutete, höhere Kaufangebot des Dritten habe dazu geführt, dass der Bruder B das Grundstück in der Folge mit Gewinn an diesen Dritten habe weiterveräussern können.

Durch die Einsicht in den Kaufvertrag erhoffte sich die Erbin A nicht nur Kenntnisse über die Höhe des Kaufpreises, sondern auch darüber, ob das Angebot des Drittkäufers bereits vor dem Abschluss der Erbteilung vorlag.  Hinweise darauf erhoffte sich die Erbin A durch die Bekanntgabe der Zahlungsmodalitäten, aus denen sich allenfalls ergeben könnte, dass der spätere Drittkäufer dem Bruder B die Übernahme des Grundstücks in der Erbteilung finanziert hatte.

Sowohl das Grundbuchamt wie auch die nachfolgend angerufenen Verwaltungsbehörden wiesen das Gesuch der Erbin A ab.  Begründet wurde die verweigerte Einsichtnahme damit, dass die Erbin A kein schützenswertes Interesse an einer solchen Einsichtnahme habe.  Insbesondere diene das Einsichtsbegehren nicht der Bezifferung oder Substantiierung erbrechtlicher Ansprüche.  Zudem sei der Erbteilungsvertrag vollständig erfüllt worden, enthalte kein Vorkaufs- oder Gewinnanteilsrecht der Erbin A und auch keine Verpflichtung, wonach das Grundstück nicht oder nur im Einverständnis mit den Miterben (weiter-)veräussert werden dürfe.  Im Übrigen stelle die Befürchtung der Erbin A, dass ihrem Bruder B bereits bei der Erbteilung eine bessere, den anderen Erben aber verschwiegene Drittofferte vorgelegen habe, eine blosse, nicht weiter substantiierte Vermutung dar.  Demgegenüber hätten der Bruder B und der Drittkäufer an der Geheimhaltung des Kaufpreises ein gewichtiges Interesse.

Rechtliche Grundlagen

Nach Art. 970 Abs. 1 ZGB hat derjenige, der ein Interesse glaubhaft macht, Anspruch darauf, dass ihm Einsicht in das Grundbuch gewährt oder dass ihm daraus ein Auszug erstellt wird.  Weiter ist jede Person sogar ohne Nachweis eines solchen Interesses berechtigt, Auskunft über bestimmte Daten des Hauptbuches zu erhalten gemäss (vgl. Art. 970 Abs. 2 ZGB).  Der vorliegend begehrte Kaufpreis und die Zahlungsmodalitäten zählen jedoch nicht zu diesen frei zugänglichen, aus dem Hauptbuch ersichtlichen Daten, sondern ergeben sich aus den Belegen, d. h. hier aus dem Kaufvertrag.  Ebenso wenig fallen der Kaufpreis und die Zahlungsmodalitäten unter die Angaben, die gemäss Art. 970 Abs. 3 ZGB öffentlich gemacht werden dürfen (dazu vgl. auch Art. 26 der Grundbuchverordnung).

Erwägungen des Bundesgerichts

Gemäss den Erwägungen des jüngst ergangenen Bundesgerichtsentscheids (BGer 5A_502/2014 vom 2. Februar 2015) erstreckt sich das Einsichtsrecht nach Art. 970 Abs. 1 ZGB auf alle Bestandteile des Grundbuchs und damit insbesondere auch auf die Belege, wozu auch der beim Grundbuchamt hinterlegte Kaufvertrag zählt.  Dabei kann gemäss Bundesgericht das für die Einsichtnahme erforderliche, im Gesetz nicht weiter konkretisierte Interesse rechtlicher oder tatsächlicher (z. B. wirtschaftlicher, wissenschaftlicher, persönlicher oder familiärer) Natur sein.  Blosse Neugier reicht hingegen nicht aus.  Zudem muss dieses Interesse in der Abwägung mit den entgegenstehenden Interessen des Grundeigentümers den Vorrang beanspruchen können.  Die Einsichtnahme ist schliesslich nur in dem Umfang zu gewähren, wie es für die Befriedigung des schutzwürdigen Interesses notwendig ist.

In der Folge kam das Bundesgericht zum Schluss, dass die verlangte Einsichtnahme geeignet und die damit verbundenen Ziele der Erbin A schutzwürdig seien.  Das Bundesgericht bejahte – entgegen den kantonalen Vorinstanzen – einen direkten Zusammenhang zwischen den erbrechtlichen Ansprüchen der Erbin A und dem besagten Einsichtsgesuch.

Denn vorliegend gehe es nicht darum, ob der Erbteilungsvertrag gehörig erfüllt worden sei oder ob sich der Bruder B nach Abschluss dieses Vertrages nach Sinn und Geist des Testaments und des Erbteilungsvertrags verhalten habe.  Demgemäss sei auch nicht entscheidend, dass der Erbteilungsvertrag der Erbin A kein Gewinnbeteiligungsrecht und kein Mitspracherecht zu einer Weiterveräusserung oder ähnliches einräume.  Vielmehr gehe es um die Umstände, die zum Abschluss dieses Erbteilungsvertrags geführt haben, die allenfalls die Wirksamkeit oder den Fortbestand des Erbteilungsvertrags beeinträchtigen könnten.  Zudem spielt es gemäss Bundesgericht keine Rolle, ob die Erbin A die gewünschten Informationen auch auf einem anderen Weg hätte erhältlich machen können.

Im Übrigen verneinte das Bundesgericht ein vorrangiges, höheres Interesse des Bruders B oder des Drittkäufers an der Geheimhaltung des Kaufpreises oder der Zahlungsmodalitäten.  Insbesondere verdiene das blosse Interesse, die Erbin A an der Geltendmachung ihrer Rechte oder der Wahrnehmung ihrer schutzwürdigen Interessen zu hindern, keinen Schutz.  Gemäss Bundesgericht könne es – mangels anderweitiger Hinweise – demnach nur um die Berücksichtigung eines allgemeinen Geheimhaltungsinteresses aus geschäftlichen Gründen gehen.  Ein solches Interesse verneinte das Bundesgericht aber mit Verweis auf Art. 970a ZGB, wonach die Kantone die Veröffentlichung des Grundstückerwerbs vorsehen können, wozu grundsätzlich auch die Gegenleistung, sprich der Kaufpreis, gehöre.

Herausgabe des Kaufpreises auch im Maklergeschäft?

Der vorstehend diskutierte Bundesgerichtsentscheid ist nicht nur für die erbrechtliche Beratung interessant.  Vielmehr besteht auch im Nachweis- und Vermittlungsgeschäft mit Grundstücken für den Makler immer wieder einmal ein praktisches Bedürfnis, den Kaufpreis einer solchen Immobilientransaktion beim zuständigen Grundbuchamt in Erfahrung bringen zu müssen.

Dieses Einsichtsbegehren ist insbesondere dann aktuell, wenn der von einem Grundstückeigentümer beauftragte Makler erst im Nachhinein und auf Umwegen vom direkten Verkauf des Grundstücks erfährt und der übergangene Makler vom säumigen Grundstücksverkäufer die vertraglich geschuldete Provision oder Entschädigung einfordern will, die sich regelmässig als Prozentsatz des öffentlich beurkundeten Kaufpreises berechnet.  Auf die entsprechenden Anfragen von Maklern nach dem effektiven Verkaufspreis stellten sich verschiedene Grundbuchämter bis anhin auf den Standpunkt, dass der Kaufpreis nicht öffentlich sei und betonten den Vorrang der Geheimhaltungsinteressen der Kaufvertragsparteien, zu denen der Makler nicht gehöre.  Zudem verwiesen manche Grundbuchämter die Einsicht begehrenden Makler an die Gerichte, welche wiederum die Grundbuchämter anweisen sollten, dem Makler im Rahmen seiner Forderungsklage gegen den säumigen Grundstückeigentümer die Höhe des öffentlich beurkundeten Kaufpreises bekannt zu geben.

Soweit ersichtlich, gibt es noch keinen höchstrichterlichen Entscheid, ob und unter welchen Voraussetzungen auch Makler beim Grundbuchamt Einsicht in den öffentlich beurkundeten Kaufvertrag nehmen können.

Nach der Lektüre der Erwägungen und Verweisen im vorstehend diskutierten Bundesgerichtsentscheid ist nach der Ansicht des Schreibenden das Interesse des Grundstückmaklers an der (partiellen) Einsichtnahme in den Kaufvertrag gegeben resp. das Ziel seines Einsichtsbegehrens ins Grundbuch schützenswert.  Zunächst einmal ist das Einsichtsgesuch des Maklers beim zuständigen Grundbuchamt geeignet, einen allfälligen Forderungsanspruch gegenüber dem Grundstückeigentümer und Vertragspartner des Maklers überhaupt erst quantifizieren zu können.  Ebenso kann der Makler auch erst in Kenntnis des öffentlich beurkundeten, effektiven Kaufpreises den Streitwert berechnen und damit seine Prozessrisiken besser abschätzen (insbesondere die allfällige Parteientschädigung an die Gegenseite im Fall des Unterliegens) sowie den von ihm als Kläger regelmässig zu leistenden Gerichtskostenvorschuss berechnen.

Weiter ist auch der direkte Zusammenhang gegeben zwischen dem Einsichtsgesuch des Maklers und der Quantifizierung seines allfälligen Forderungsanspruchs, der sich unmittelbar erst aus dem besagten Kaufvertrag resp. aus dem darin beurkundeten Kaufpreis ergibt.  Ähnlich argumentierten im vorstehend diskutierten Bundesgerichtsentscheid ja auch die bereits eingangs erwähnten, kantonalen Vorinstanzen.  So begründete das Verwaltungsgericht die damalige Verweigerung des Einsichtsbegehrens der Erbin A insbesondere damit, dass das Einsichtsbegehren nicht der Bezifferung oder Substantiierung ihrer (erbrechtlichen) Ansprüche diene. 

Zudem ist auch in dieser Konstellation, wo kein Miterbe sondern ein Makler Einsicht in den zwischen Dritten abgeschlossenen Kaufvertrag begehrt, kein vorrangiges, allgemeines (Geschäfts-) Interesse des verkaufenden Grundstückeigentümers oder des Drittkäufers ersichtlich, das einer Bekanntgabe des Kaufpreises (und allenfalls auch der Zahlungsmodalitäten) an den übergangenen Makler entgegenstehen könnte.

Artikel im PDF-Format, veröffentlicht im Immobilien Business 7/8 2015

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