Von der (Un-)Gültigkeit von StWE-Beschlüssen
Ausgangslage
Die Stockwerkeigentümer A und die Y AG luden die beiden anderen Stockwerkeigentümer B und C zu einer ausserordentlichen StWE-Versammlung ein. Dabei wurden folgende Traktanden angekündigt: 1. Neuwahl des Verwalters; 2. Bestellung des Abwarts; 3. Festsetzung der Entschädigung für den Verwalter und den Abwart. Daraufhin baten die beiden Stockwerkeigentümer B und C darum, die besagte Versammlung zu verschieben. Gleichwohl wurde die Versammlung am angekündigten Datum durchgeführt. Aufgrund mangelnder Beschlussfähigkeit der Versammlung luden A sowie die Y AG erneut zu einer weiteren ausserordentlichen StWE-Versammlung ein. In der Folge verlangten B und C, dass die Versammlung erneut zu verschieben sei. Gleichwohl - und unter Abwesenheit und ohne Vertretung der beiden Stockwerkeigentümer B und C - wurde die die besagte StWE-Versammlung durchgeführt. Dabei liess sich der Stockwerkeigentümer A durch seine Ehegattin D vertreten, während sich die Y AG durch den Stockwerkeigentümer A vertreten liess. Die so zusammengesetzte StWE-Versammlung wählte in der Folge die Ehegattin D zur neuen Verwalterin und Abwartin und legte auch die Entschädigung für deren Tätigkeiten fest.
Nach der Zustellung des Versammlungsprotokolls reichte C beim zuständigen Bezirksgericht gegen die StWE-Gemeinschaft eine Anfechtungsklage ein. C beantragte die Ungültigkeit der StWE-Versammlung sowie gegebenenfalls die Aufhebung der anlässlich dieser Versammlung gefassten Beschlüsse. Das Bezirksgericht wies die Klage ab. Auch die angerufene Appellationsinstanz wies die Begehren von C ab, soweit sie überhaupt darauf eingetreten war. Daraufhin gelangte C mit Beschwerde ans Bundesgericht.
Rechtsgrundlagen
Gemäss den gesetzlichen Bestimmungen bestellt die StWE-Versammlung den Verwalter und führt die Aufsicht über dessen Tätigkeit; dabei kommen grundsätzlich die Vorschriften über die Organe des Vereins (Art. 64 ff. ZGB) und die Regelung zur Anfechtung von Vereinsbeschlüssen (Art. 75 ZGB) zur Anwendung (vgl. dazu Art. 712m Abs. 1 Ziff. 2 und Abs. 2 ZGB). Zudem ist nach Art. 68 ZGB jedes Mitglied unter anderem dann vom Stimmrecht ausgeschlossen, wenn die Versammlung über ein Rechtsgeschäft zwischen ihm oder seinem Ehegatten einerseits und dem Verein andererseits beschliessen soll.
Erwägungen des Bundesgerichts
Das Bundesgericht hatte in seinem Entscheid (BGer-Entscheid vom 10. Juli 2008, 5A_149/2007) insbesondere zu beurteilen, ob und inwieweit Art. 68 ZGB (Ausschluss vom Stimmrecht) infolge der Verweisung in Art. 712m Abs. 2 ZGB auch auf die StWE-Versammlung Anwendung findet. Diese Frage wurde in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts offen gelassen, wurde jedoch in der Rechtslehre kontrovers diskutiert.
Das Bundesgericht kam zunächst zum Schluss, dass Art. 68 ZGB grundsätzlich auch bei StWE-Gemeinschaften und deren Beschlüssen gelte. Denn die einzelnen Stockwerkeigentümer hätten ein besonderes Bedürfnis nach einem Stimmrechtsausschluss nach Art. 68 ZGB, zumal die Stockwerkeigentümer in der Regel keinen gemeinsamen Zweck, sondern eigene – und somit möglicherweise gegenläufige - auch wirtschaftliche Interessen verfolgten, welche durch die Beschlüsse der Gemeinschaft unmittelbar tangiert werden könnten.
Wahl zur Verwalterin
Zur Frage, ob die Ehegattin D durch die besagte StWE-Versammlung gültig zur Verwalterin der StWE-Gemeinschaft gewählt werden konnte, verwies das Bundesgericht zunächst auf seine Rechtsprechung zur Wahl in den Vereinsvorstand (BGE 39 II 479). Demnach handelt es sich bei einer Wahl in den Vorstand nicht um ein Rechtsgeschäft im Sinne von Art. 68 ZGB. Vielmehr stellte eine solche Wahl einen rein internen Verwaltungsakt dar, weshalb auch diejenigen Vereinsmitglieder wahlberechtigt sind, um deren Wahl es geht. Dementsprechend kann bei der Wahl des Verwalters einer StWE-Gemeinschaft auch derjenige Stockwerkeigentümer an der besagten Beschlussfassung teilnehmen, um dessen Wahl es geht. Demzufolge und weil kein Stimmrechtsausschluss nach Art. 68 ZGB bestand, konnte vorliegend A (vertreten durch D), an der Wahl von D zur Verwalterin der StWE-Gemeinschaft gültig teilnehmen.
Wahl zur Abwartin
Anders beurteilte das Bundesgericht die Bestellung der Ehegattin D zur Abwartin der StWE-Gemeinschaft. So entschied das Bundesgericht, dass es sich dabei um ein Rechtsgeschäft im Sinne von Art. 68 ZGB handle: Im Gegensatz zur Wahl des Verwalters habe ein Abwart keine organähnliche Stellung inne, weil die Funktionsfähigkeit der StWE-Gemeinschaft grundsätzlich nicht entscheidend von einem solchen Abwart abhänge. Zudem stehe das rechtsgeschäftliche Element (in der Regel der Abschluss eines Arbeitsvertrags) im Vordergrund. Dementsprechend war A (in Vertretung von D) von Gesetzes wegen vom Stimmrecht ausgeschlossen.
Ungültige Entschädigungsbeschlüsse
Im Übrigen entschied das Bundesgericht, dass auch die Beschlüsse der StWE-Gemeinschaft zur Entschädigung von D für ihre Tätigkeiten als Verwalterin und Abwartin vom Stimmrechtsausschluss nach Art. 68 ZGB erfasst gewesen waren. Denn solche Entschädigungsbeschlüsse gingen über einen internen Verwaltungsakt hinaus und begünstigten den betreffenden Stockwerkeigentümer (resp. hier dessen Ehegattin) in wirtschaftlicher Hinsicht.
Weiteres und Vertretungsfrage
Den Einwand, C sowie der weitere Stockwerkeigentümer B hätten an der besagten (verschobenen) Versammlung durchaus teilnehmen und die betreffenden Beschlussfassungen verhindern können, liess das Bundesgericht nicht gelten. So stehe die Nichtteilnahme an der besagten StWE-Versammlung einer Berufung auf Art. 68 ZGB nicht entgegen (keine fehlende Aktivlegitimation).
Im Weiteren hielt das Bundesgericht fest, dass auch die Vertretung der beiden Stockwerkeigentümer A (durch D) und Y AG (durch A) in der StWE-Versammlung nichts an seinem Entscheid änderte: Bezüglich der Vertretung des Stockwerkeigentümers A durch seine Ehegattin D verwies das Bundesgericht auf den Wortlaut von Art. 68 ZGB (vgl. oben), wonach die Ehegatten A und D schon von Gesetzes wegen vom Stimmrecht ausgeschlossen waren. Bezüglich der Vertretung der Y AG durch den Stockwerkeigentümer A verwies das Bundesgericht auf seine Rechtsprechung zu Décharge-Beschlüssen bei Aktiengesellschaften. Danach ist es einem mit der Geschäftsführung betrauten Aktionär ebenfalls verwehrt, einen nicht an der Geschäftsführung beteiligten Aktionär beim Décharge-Beschluss zu vertreten (BGE 128 III 142; Art. 695 Abs. 1 aOR). Dies gelte auch für einen vom Stimmrecht ausgeschlossenen Stockwerkeigentümer (hier A), der in Vertretung eines anderen Stockwerkeigentümers (hier Y AG) abstimmen soll. Somit war A nicht zur Stimmabgabe (zur Bestellung von D zur Abwartin resp. zur Entschädigung) berechtigt und zwar unabhängig davon, ob die durch A vertretene Y AG selber vom Stimmrecht ausgeschlossen gewesen wäre.
Zusammenfassung
Während die Ehegattin D als Vertreterin des Stockwerkeigentümers A sowie A als Vertreter der Y AG berechtigt waren, an der Wahl von D zur Verwalterin der StWE-Gemeinschaft teilzunehmen, war es den beiden wegen der Anwendbarkeit von Art. 68 i.V. Art. 712m Abs. 2 ZGB verwehrt, über die Wahl von D zur Abwartin und über ihre Entschädigung als Verwalterin und Abwartin zu beschliessen. Dementsprechend waren die beiden abgegebenen Stimmen ungültig und nicht zu zählen. Weil A und D die einzigen Teilnehmer an der besagten StWE-Versammlung waren, waren die betreffenden Beschlüsse nicht zustande gekommen.