Rückforderung von Akontozahlungen für Nebenkosten – Substanziierungserfordernisse und Beweislastverteilung

Sachverhalt

Entscheid des Bundesgerichts vom 4. März 2021 (BGer 4A_433/2020) gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 29. Juni 2020 (HG180153-O), publiziert in ZR 120 (2021) Nr. 26 und in MRA 4/2021, S. 185 ff.

A.

Die A AG (Vermieterin, Beschwerdeführerin) ist Baurechtsnehmerin eines Grundstücks. Das darauf im Baurecht erstellte Gebäude samt Umgebung vermietet sie an die B. GmbH (Mieterin, Beschwerdegegnerin), die darin ihr Geschäft betreibt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_233/2020 vom 22. Oktober 2020). Die Mieterin hat sich im Mietvertrag zur Übernahme gewisser Kosten verpflichtet, die der Vermieterin im Zusammenhang mit dem Mietobjekt entstehen, und leistet dafür Akontozahlungen. Die Richtigkeit der von der Vermieterin erstellten Abrechnungen bestreitet die Mieterin bereits seit dem Abrechnungsjahr 2010. Gegenstand dieses Verfahrens ist ausschliesslich die Abrechnung für das Jahr 2014. 

B.

Mit Klage vom 10. August 2018 (Datum Poststempel) forderte die Mieterin ihre für das Jahr 2014 bezahlten Akontozahlungen von Fr. 180'000.-- im Umfang von Fr. 170'300.63 nebst Zins zurück. Mit Urteil vom 29. Juni 2020 hiess das Handelsgericht des Kantons Zürich die Klage gut. Es kam im Wesentlichen zum Schluss, die Vermieterin habe ihre den Akontozahlungen der Mieterin gegenüberstehende Forderung bzw. den zugrunde liegenden Aufwand nicht ausreichend substanziiert und belegt. 

C.

Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Vermieterin dem Bundesgericht im Wesentlichen, die Klage abzuweisen. Die Mieterin schliesst auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei, während das Handelsgericht auf Vernehmlassung verzichtet. Die Beschwerdeführerin hat unaufgefordert eine Beschwerdereplik eingereicht. 

 Erwägungen

1.

Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungsanforderungen (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft es grundsätzlich aber nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 140 III 86 E. 2 S. 88 f., 115 E. 2 S. 116).

1.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Dazu gehören sowohl die Feststellungen über den streitgegenständlichen Lebenssachverhalt als auch jene über den Ablauf des vor- und erstinstanzlichen Verfahrens, also die Feststellungen über den Prozesssachverhalt (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 17 f. mit Hinweisen). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1 S. 244; 140 III 115 E. 2 S. 117, 264 E. 2.3 S. 266). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein können (Art. 97 Abs. 1 BGG).

1.2. Für eine Kritik am festgestellten Sachverhalt gilt das strenge Rügeprinzip von Art. 106 Abs. 2 BGG (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266 mit Hinweisen). Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz anfechten will, muss klar und substanziiert aufzeigen, inwiefern die in E. 1.1. hiervor genannten Voraussetzungen erfüllt sein sollen (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18 mit Hinweisen). Wenn sie den Sachverhalt ergänzen will, hat sie zudem mit präzisen Aktenhinweisen darzulegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen prozesskonform eingebracht hat (BGE 140 III 86 E. 2 S. 90 mit Hinweisen). Genügt die Kritik diesen Anforderungen nicht, können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der vom angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18). Soweit die Beschwerdeführerin in ihren Ausführungen zum Sachverhalt über die Feststellungen im angefochtenen Entscheid hinausgeht, ohne eine hinreichende Sachverhaltsrüge zu erheben, ist sie damit nicht zu hören und ist von den Feststellungen im angefochtenen Entschied auszugehen.

2.

Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, die Vorinstanz habe in Verletzung von Art. 55 ZPO, Art. 1 OR und Art. 18 OR sowie der Begründungspflicht (Art. 53 und Art. 238 lit. g ZPO) auf einen nicht existenten (vertraglichen) Rückforderungsanspruch der Beschwerdegegnerin geschlossen. Ausserdem sei sie zu Unrecht davon ausgegangen, die Beschwerdeführerin habe der Beschwerdegegnerin nur unzureichend Einsicht in die der Nebenkostenabrechnung zugrunde liegenden Belege gewährt. Sodann sei sie in Verletzung von Art. 55 ZPO und Art. 120 OR sowie gestützt auf eine falsche Sachverhaltsannahme von einer Verrechnungsforderung der Beschwerdeführerin ausgegangen und habe dieser eine nicht gerechtfertigte Behauptungslast für ihre Nebenkostenforderung auferlegt.

In ihren Ausführungen verliert die Beschwerdeführerin die Grundprinzipien einer Akontozahlung aus den Augen:

2.1. Der Begriff "Akontozahlung" deutet darauf hin, dass es sich bei den unter diesem Titel erbrachten Leistungen bloss um vorläufige Zahlungen handelt, die gemäss korrekt zu erfolgender Abrechnung an die jährlich aufgelaufenen und vom Mieter vertragsgemäss geschuldeten Nebenkosten anzurechnen sind. Die Vereinbarung der Akontozahlung unter Abrechnungspflicht muss deshalb nach Treu und Glauben dahingehend ausgelegt werden, dass die Differenz zwischen den geleisteten Akontozahlungen und dem durch die Abrechnung festgestellten effektiven vertraglichen Anspruch auszugleichen ist, sei es durch einen Nachschuss des Schuldners oder eine Rückleistung des Gläubigers (BGE 132 III 24 E. 5.1 S. 28, bestätigt in: Urteil des Bundesgerichts 4A_339/2018 vom 29. Januar 2019 E. 1.1.1 und E. 1.6; vgl. BGE 134 III 591 E. 5.2.3 S. 595; 126 III 119 E. 2b S. 120).  

2.2. Der Vertrag, der die Pflicht zur Akontozahlung beinhaltet, bildet grundsätzlich selbst die Grundlage für die Ausgleichsforderung der Differenz zwischen den geleisteten Akontozahlungen und dem durch die Abrechnung festgestellten effektiven vertraglichen Anspruch (BGE 126 III 119 E. 3d S. 122; vgl. E. 2.1 hiervor sowie BGE 133 III 356 E. 3.2.2 S. 359; 130 III 504 E. 6.4 S. 512). Der vertragliche Rückforderungsanspruch ist einer vereinbarten Akontozahlung grundsätzlich inhärent. Entsprechend haben die Parteien im Mietvertrag Folgendes vereinbart:

"6.2 Medien- und Nebenkostenabrechnung

Die Medien- und Nebenkostenabrechnung erfolgt per 31. Dezember eines jeden Jahres. Die Vermieterin verpflichtet sich, die Abrechnung innerhalb von 8 Monaten nach Abschluss der Abrechnungsperiode zu erstellen. Sofern gegen die Abrechnung nicht innert 30 Tagen nach Erhalt schriftlich Einsprache erhoben wird, so gilt diese als für richtig befunden und von der Mieterin genehmigt. Die von der Mieterin geleisteten Akontozahlungen werden mit den anfallenden Kosten verrechnet. Nachforderungen und Rückerstattungen sind innert 30 Tagen ab Rechnungsstellung zur Zahlung fällig. Gestützt auf die Nebenkostenabrechnung sowie die mutmasslichen Verbrauchs-und Kostenveränderungen ist die Vermieterin jederzeit berechtigt, die Akontozahlungen für das kommende Jahr anzupassen. "

2.3. Die Beschwerdeführerin weist selbst auf die Abrechnungspflicht hin, wonach Nachforderungen und Rückerstattungen auszugleichen sind, was ihrer Rüge, der angefochtene Entscheid sei nicht hinreichend begründet, den Boden entzieht. Soweit sie zum Schluss kommt, die Beschwerdegegnerin könne jedenfalls so lange keinen Rückforderungsanspruch haben, als die Nebenkostenforderung der Beschwerdeführerin rechtlich durchsetzbar sei, und eine Rückforderung komme erst in Frage, wenn die Verjährung der Nebenkostenforderung eingetreten sei, kann ihr nicht gefolgt werden. Der Vermieter ist bei bestehender Akontoabrede verpflichtet, am Ende der vereinbarten Periode über die tatsächlichen Nebenkosten eine Abrechnung zu erstellen, welche ihrerseits Ausgangsbasis für den Ausgleich des Saldos darstellt. Ein Saldo zugunsten des Mieters macht den Rückforderungsanspruch grundsätzlich fällig und erfüllbar (GIGER, Berner Kommentar, 2015, Art. 257a OR, Rz 116), wobei im hier zu beurteilenden Fall nach Vertrag die Fälligkeit innert 30 Tagen ab Rechnungsstellung eintritt (vgl. E. 2.2 hiervor). Die Abrechnung hat korrekt zu erfolgen (BGE 132 III 24 E. 5.1 S. 28; zit. Urteil 4A_339/2018 E. 1.1.1). Erweist sich im Prozess, dass der Vermieter nicht korrekt abgerechnet hat, kann der Mieter mithin aus Vertrag den zu seinen Gunsten bestehenden Saldo verlangen.

2.4. Im zu beurteilenden Fall geht es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht darum, dass die Akontozahlung zurückbezahlt werden muss, wenn die Nebenkostenabrechnung fehlerhaft ist, so dass jeder noch so kleine Rechnungsfehler zu einem Verlust der Vorauszahlung führen würde und jede Nachbesserung ausgeschlossen wäre. Massgebend ist vielmehr der effektive Anspruch wie er sich bei korrekt vorzunehmender Abrechnung ergibt (BGE 132 III 24 E. 5.1 S. 28; zit. Urteil 4A_339/2018 E. 1.1.1).

2.4.1. Bereits aus der Natur der Akontozahlung ergibt sich, dass der Vermieter diese nur soweit behalten darf, als tatsächlich vom Mieter abzugeltende Kosten entstanden sind. Die Differenz zwischen den geleisteten Akontozahlungen und dem effektiven Anspruch ist auszugleichen (vgl. BGE 134 III 591 E. 5.2.3 S. 595; 132 III 24 E. 5.1 S. 28; 126 III 119 E. 2b S. 120). Dies folgt schon daraus, dass es bei den Nebenkosten immer um tatsächliche Kosten im Zusammenhang mit dem Gebrauch der Sache geht; diese können nicht zur Gewinnerzielung herangezogen werden (GIGER, a.a.O., Art. 257a OR, Rz 103). Der Vermieter ist nur berechtigt, die tatsächlichen Aufwendungen, d.h. die ihm effektiv entstehenden Kosten, zu überwälzen (WEBER, BSK OR, 7. Aufl. 2020, Art. 257b OR, Rz 2).

2.4.2. Es geht, wie die Beschwerdeführerin selbst erkennt, nicht um die Frage, ob die Akontozahlung zurückverlangt werden kann, wenn der Vermieter die geschuldete Abrechnung verweigert. Die Beschwerdeführerin hat abgerechnet. Nun kann im Prozess geprüft werden, ob der Anspruch effektiv im abgerechneten Umfang besteht. Die Vorinstanz kam zum Schluss, die Beschwerdeführerin habe es unterlassen, die den Akontozahlungen der Klägerin gegenüberstehende Forderung bzw. den zugrunde liegenden Aufwand ausreichend zu substanziieren und zu belegen. Damit wird der Beschwerdeführerin keine Sicherheit für bestehende Ansprüche entzogen, sondern es erfolgt eine Rückzahlung, soweit gemäss Prozessergebnis keine Ansprüche bestehen.

2.5. Die Beschwerdeführerin ist allerdings der Ansicht, sie sei nicht gehalten gewesen, ihren Anspruch zu substanziieren.

2.5.1. Auch dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden: Nur wenn für eine Abrechnungsperiode ein Saldo gezogen und anerkannt wurde, ist der Rückforderungsanspruch bereicherungsrechtlicher Natur. Nur diesbezüglich ist der Mieter behauptungs- und beweisbelastet für seine Forderung. Vor Anerkennung des Saldos handelt es sich dagegen um einen vertraglichen Anspruch und ist der Vermieter hierfür behauptungs- und beweispflichtig (Urteile des Bundesgerichts 4A_209/2019 vom 8. Oktober 2019 E. 8.1; 4A_606/2015 vom 19. April 2016 E. 5.1 und 5.3 mit Hinweisen).

2.5.2. Aus einer Akontozahlung kann grundsätzlich nicht die Anerkennung einer Forderung in einer bestimmten Höhe abgeleitet werden. Akontozahlungen werden vereinbart, wenn Einigkeit über den Grundsatz der Zahlungspflicht und Ungewissheit über die Höhe des tatsächlich geschuldeten Betrags besteht, wobei eine allfällige Differenz nachzuzahlen beziehungsweise zurückzuerstatten ist (BGE 134 III 591 E. 5.2.3 S. 595).

2.5.3. Nach den insoweit unangefochtenen Feststellungen der Vorinstanz erhob die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 27. April 2017 fristgerecht Einsprache gegen die Abrechnung sowie den geltend gemachten Saldo. Damit verblieb die Beweislast bei der Beschwerdeführerin und mit dieser auch die Behauptungslast (zit. Urteile 4A_209/2019 E. 8.1; 4A_606/2015 E. 5.1 und 5.3).

2.6. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, ihre Nebenkostenforderung sei gar nicht Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens gewesen. Sie beanstandet, die Vorinstanz sei sinngemäss davon ausgegangen, die Beschwerdeführerin habe ihre Nebenkosten mit einem Gegenanspruch der Beschwerdegegnerin verrechnet und die Beschwerdeführerin dementsprechend ihre zur Verrechnung gestellte Forderung darzulegen.

2.6.1. Diese Ausführungen gehen an der Sache vorbei: Zwar trifft zu, dass keine Verrechnung im eigentlichen Sinne zu beurteilen ist, sondern ein Abrechnungsverhältnis im Rahmen einer Akontozahlung. Dies ändert aber nichts daran, dass die Beschwerdegegnerin nach erfolgter Abrechnung die Rückzahlung der Akontozahlung verlangen kann, soweit der in der Abrechnung ausgewiesene Betrag tatsächlich nicht besteht. Im Streitfall hat die Beschwerdeführerin, welche die Nebenkosten verlangt, diese zu beweisen, soweit keine Anerkennung erfolgt ist (zit. Urteile 4A_209/2019 E. 8.1; 4A_606/2015 E. 5.1 und 5.3).

2.6.2. Nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid (unter dem Titel: "Zusammenfassung der Parteistandpunkte") stellte sich die Beschwerdeführerin im Prozess selbst auf den Standpunkt, es lägen insbesondere mit den vollständig und geordnet ins Recht gelegten Rechnungen sämtliche Buchungsbelege zum Nachweis der abgerechneten Kosten vor. Die Beschwerdegegnerin habe sich mit den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Belegen unzureichend auseinandergesetzt, weshalb die Klage vollumfänglich abzuweisen sei. Ihr war mithin bewusst, dass es im Prozess um den Nachweis der abgerechneten Kosten ging, und sie beantragte die Klageabweisung, weil sich die Beschwerdegegnerin nicht genügend mit dieser Frage auseinandergesetzt habe. Dass es sich dabei nur um einen Eventualstandpunkt gehandelt hätte und sie sich hauptsächlich auf den Standpunkt gestellt hätte, die Beschwerdegegnerin habe die Begründetheit der Forderung nicht zum Prozessthema gemacht (oder machen können), ergibt sich nicht aus dem angefochtenen Entscheid und zeigt sie nicht auf. Vielmehr anerkennt sie, die Parteivorbringen seien im angefochtenen Entscheid zutreffend wiedergegeben worden.

2.6.3. Angesichts ihrer eigenen Vorbingen ist die Auffassung, ihre Forderung sei nicht Prozessgegenstand gewesen, haltlos. Aber auch davon abgesehen muss es demjenigen, der die Akontozahlung geleistet hat, nach erfolgter Abrechnung gestattet sein, die Frage, in welchem Umfang die Forderung, auf welche die Akontozahlung angerechnet werden soll, tatsächlich besteht, zum Prozessthema zu machen. Dass er dabei alle Rechnungspositionen bestreitet, die er nicht nachvollziehen kann, schadet nicht. Es wäre Sache der Gegenpartei darzulegen, dass ihre Forderung im abgerechneten Umfang besteht. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin liefen darauf hinaus, der Beschwerdegegnerin die Beweislast für die Fehlerhaftigkeit der Abrechnung zu überbinden, obwohl keine Anerkennung erfolgt ist (vgl. zit. Urteile 4A_209/2019 E. 8.1; 4A_606/2015 E. 5.1 und 5.3) oder ihr eine Überprüfung der geltend gemachten Forderung ganz zu verunmöglichen. Beides liefe dem Sinn einer Akontozahlung zuwider. Abreden über Akontozahlungen der Nebenkosten dienen vornehmlich dazu, hohe Zahlungen des Mieters zu verhindern und dadurch das Inkassorisiko des Vermieters zu verringern (BGE 132 III 24 E. 5.1.1 S. 28 mit Hinweis). Es geht nicht darum, dem Vermieter den Nachweis seiner Forderung zu erleichtern. Derartige Wirkungen können, soweit dies vertraglich vorgesehen ist, nur einer nicht fristgerecht beanstandeten Abrechnung zukommen (zit. Urteile 4A_209/2019 E. 8.1; 4A_606/2015 E. 5.1). Daraus kann die Beschwerdeführerin zufolge der fristgemässen Beanstandung nichts ableiten.

2.7. Der Frage, ob die Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin hinreichend Einblick in die Unterlagen gewährt hat, kommt keine entscheidende Bedeutung zu, zumal nach den Feststellungen der Vorinstanz die Beschwerdegegnerin keine Möglichkeit hatte, sich Kopien der Unterlagen anzufertigen. Die Beschwerdeführerin setzt sich denn auch mit den Erwägungen der Vorinstanz, wonach die Beschwerdegegnerin ihrerseits ihre Bestreitung der Forderung hinreichend substanziiert habe, nicht rechtsgenüglich auseinander. Damit bleibt es im Ergebnis beim angefochtenen Entscheid.

2.8. Die Beschwerdeführerin scheint in gewissen Passagen ihrer Beschwerde davon auszugehen, die Klage sei allein schon deswegen gutgeheissen worden, weil sie ihren Abrechnungspflichten oder der Pflicht, der Beschwerdegegnerin Einsicht zu gewähren, in den Augen der Vorinstanz nicht hinreichend nachgekommen sei. Dem ist aber nicht so. Denn die Beschwerdeführerin hat nach dem angefochtenen Entscheid den sich gemäss ihrer Abrechnung ergebenden Anspruch, auf den die Akontozahlung anzurechnen ist, nicht hinreichend substanziiert behauptet. Damit war prozessual davon auszugehen, dass der Anspruch, soweit er bestritten wurde, nicht besteht.

 3.

(Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten war, Kosten- und Entschädigungsfolgen)

Zusammenfassung und Kommentar

Im Wesentlichen wird in diesem lesenswerten Bundesgerichtsentscheid die Fragestellung diskutiert, unter welchen Voraussetzungen und gestützt auf welche prozess- und materiellrechtliche Grundlagen eine Mieterschaft die von ihr geleisteten Akontozahlungen von der Vermieterschaft zurückfordern kann.

Zentral dabei ist vorab, ob die Mietparteien für die im betreffenden Mietverhältnis geschuldeten Nebenkosten und die dafür von der Mieterschaft geleisteten Akontozahlungen eine vertragliche Saldo-Regelung vereinbart haben, wonach die Mieterschaft gegen den von der Vermieterschaft erstellten Nebenkostenabrechnung innert Frist (von z. B. 30 Tagen) nach Erhalt schriftlich Einsprache erheben muss, ansonsten diese Abrechnung als für richtig befunden und von der Mieterschaft als genehmigt behandelt wird (zur entsprechenden Klausel im vorliegenden Fall vgl. Ziffer 2.2 der vorstehenden Erwägungen des Bundesgerichts).

Denn:  Soweit die Mieterschaft keine fristgemässe Einsprache gegen die Nebenkostenabrechnung erhoben hat, liegt (nur noch) ein bereicherungsrechtlicher Anspruch der Mieterschaft auf Rückforderung einer allfälligen Differenz zwischen den für die zugehörige Abrechnungsperiode geleisteten Akontobeträgen und den tatsächlich bei der Vemieterschaft für die besonders vereinbarten Nebenpositionen aufgelaufenen Aufwendungen vor. Liegt nur ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch vor, kommen nicht nur die (im Vergleich zum vertraglichen Rückforderungsanspruch) strengeren Verjährungsregelungen von Art. 67 OR zur Anwendung. Vielmehr – und im vorliegenden Fall entscheidend – ist die Mieterschaft nur dann behauptungs- und beweisbelastet für den von ihr behaupteten (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruch, wenn für eine Abrechnungsperiode ein Saldo gezogen und von der Mieterschaft anerkannt wurde (dazu vgl. Ziffer 2.5.1 der vorstehenden Erwägungen des Bundesgerichts). 

Mit anderen Worten: Vor der Genehmigung bzw. vor der Anerkennung des Saldos einer von der Vermieterschaft für eine Abrechnungsperiode erstellten Nebenkostenabrechnung handelt es sich um einen vertraglichen Forderungsanspruch der Vermieterschaft auf Bezahlung der mit der Mieterschaft besonders vereinbarten Nebenkosten, wofür die Vermieterschaft (und nicht die Mieterschaft für ihren reziproken Rückforderungsanspruch) behauptungs- und beweispflichtig ist.

Im vorliegenden Fall hat die Mieterschaft gegen die Richtigkeit bzw. gegen die Rechtmässigkeit der hier fraglichen Nebenkostenabrechnung 2014 fristgerecht und vertragsgemäss Einsprache erhoben und im August 2018 die Rückzahlung von immerhin CHF 170‘300.63 nebst Zins eingeklagt für die in dieser Abrechnungsperiode geleisteten Akontobeträge von CHF 180‘000.00. Sowohl das Handelsgericht des Kantons Zürich als auch das Bundesgericht schützten diesen Rückforderungsanspruch der Mieterschaft.

Nebst der fristgerechten Einsprache der Mieterschaft waren für den vorliegenden Prozessausgang die sich aus dieser Einsprache ergebenden prozessrechtlichen Konsequenzen ausschlaggebend, welche die Vermieterschaft unterschätzte: Wegen der fristgerechten Einsprache der Mieterschaft gegen die ihr vorgelegte Nebenkostenabrechnung handelte es sich immer noch um einen vertraglichen Anspruch der Vermieterschaft auf Bezahlung der Nebenkosten, wofür in prozessrechtlicher Hinsicht die Vermieterschaft die Behauptungs-, Substanziierungs- und Beweislast traf, welcher die Vermieterschaft aber bereits im handelsgerichtlichen Verfahren nur ungenügend nachgekommen ist. So lässt sich dem Bundesgerichtsentscheid nur in kursorischer Form entnehmen, dass die Vermieterschaft den sich aus ihrer Abrechnung ergebenden Nebenkosten-Anspruch vor dem Handelsgericht nicht hinreichend substanziiert behauptet habe. Damit war für das Bundesgericht auch in prozessualer Hinsicht davon auszugehen, dass der Anspruch, soweit er von der Mieterschaft bestritten wurde, erst gar nicht bestanden hat (dazu vgl. Ziffer 2.8 der vorstehenden Erwägungen des Bundesgerichts).

Im Sinn einer abschliessenden Empfehlung ist die Vermieterschaft jedenfalls gut beraten, wenn sie im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit der Mieterschaft auf die Aufnahme einer Saldo-Regelung für Nebenkostenansprüche besteht. Diesfalls und soweit die Mieterschaft keine vertragsgemässe Einsprache gegen eine Nebenkostenabrechnung erhebt, liegt es an der Mieterschaft einen von ihr behaupteten (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruch rechtsgenügend zu substanziieren und zu beweisen.

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